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Sehnsucht nach Owitambe

Sehnsucht nach Owitambe

Titel: Sehnsucht nach Owitambe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Mennen
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dann seinem Vater mitteilen, dass er Owitambe übernehmen würde. Es war keine leichte Entscheidung gewesen, aber es schien ihm der einzig mögliche Weg, um mit dem Mädchen, das er liebte, zusammenleben zu können. Wie er es auch drehte und wendete, es war die beste Lösung. Seinen Traum, Physik, Philosophie oder Jura zu studieren, um etwas in der Welt zu bewegen, würde er schweren Herzens aufgeben müssen. Es wurde Zeit, sich der Realität zu stellen. Sein Vater wurde alt und war ein Sturkopf. Er würde ihm nie ein Studium finanzieren, weil er fürchtete, dass Owitambe dann für immer verloren sein würde. Er selbst hatte zwar im Laufe der Jahre etwas Geld angespart, aber davon konnte er nicht für sich und seine junge Frau sorgen. Übernahm er hingegen die Farm und die Karakul-Schafzucht, konnte er darauf hoffen, dass sich seine Familie wenigstens in Bezug auf Sonja hinter ihn stellen würde. Er hatte zwar noch keine Vorstellung, wie er bei dem Baron um die Hand seiner Tochter anhalten sollte, aber das würde sich schon ergeben. Zur Not mussten sie warten, bis sie volljährig war. Doch zuallererst musste er wissen, was seine Angebetete dazu sagte.
    »Es wundert mich, dass du dieses Jahr doch wieder mit auf das Sommerfest kommst«, meinte Imelda, die mit ihrem Mann Rajiv auf der Rückbank der Kutsche saß, die sie in Richtung der Farm der Weißens fuhr. Ihre Worte rissen Raffael mitten aus seinen Gedanken. Er und sein Vater saßen vorn auf dem
Kutschbock. Sie waren zu viert. Sarah hatte sich wie auch letztes Jahr geweigert, mit auf das Fest zu gehen, obwohl ihr Mann sie mehrmals gebeten hatte. Sie wollte ihm und sich die offene Ablehnung ersparen, die ihnen bei ihrer Anwesenheit entgegenschlagen würde. Raffael wusste, wie seine Mutter sich fühlte. Auch er hatte nur wenig Herzlichkeit auf dem Fest zu erwarten. Zwar duldete man ihn, schon allein, weil er der Sohn eines wohlhabenden, wenn auch umstrittenen Farmers war, gleichzeitig mieden ihn die gleichaltrigen jungen Männer, wohl auch, weil sie wussten, wie jähzornig er sein konnte. Im Jahr zuvor hatte er sich sogar zu einer Schlägerei hinreißen lassen. Damals hatte er sich geschworen, nie wieder auf dieses Sommerfest zu gehen. Doch jetzt würde er dort Sonja treffen, und das hatte seine Meinung grundlegend geändert.
    »Ich hab es mir eben anders überlegt«, meinte er einsilbig.
    Imelda musterte Raffael neugierig. »Angeblich hast du dich nach der Schule überraschend gut auf Owitambe eingelebt?«
    »Ja, das hat er«, mischte sich Johannes stolz ein. »Mein Sohn macht sich prächtig. Seit er da ist, gibt sich auch Mateus wieder mehr Mühe. Nächste Woche nehme ich die beiden mit auf die große Schafauktion. So wie es aussieht, werden wir zum ersten Mal mit unseren nachgezüchteten Karakulschafen einen ordentlichen Profit machen. Die Wollqualität ihres Vlieses ist außergewöhnlich! Schon bald wird die Farm zu neuem Wohlstand kommen.«
    Imelda bemerkte sehr wohl, dass Raffael dazu schwieg, und machte sich ihre eigenen Gedanken über den jüngeren Bruder ihrer Schwiegertochter. Sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er ganz andere Vorlieben als die Farmarbeit hatte. Auf der anderen Seite wusste sie, wie erleichtert Johannes sein würde, wenn sein Sohn sich endlich entschloss, seine Nachfolge anzutreten. Sie seufzte. Warum war das Leben nur immer so schwierig und kompliziert? Sie durchfuhren gerade einen lichten
Wald, hinter dem bereits das Anwesen der Weißens begann. Ein Gelbschnabel-Toko flog unter lautem Protest auf und flatterte quer über ihre Köpfe.
    »Der hat es ja ganz schön eilig«, schmunzelte Rajiv. »Sagt man nicht, dass Ärger bevorsteht, wenn so ein Vogel den Weg kreuzt?«
    »Pfui, schäm dich!«, schimpfte Imelda mit gespielter Empörung. »Wenn du weiterhin so einen Unsinn redest, dann kommt der Ärger von mir!«
    Die anderen lachten. Imelda musterte ihren Mann mit Wohlgefallen. Seit einigen Jahren kleidete er sich nicht mehr wie ein Inder, sondern trug einen hellen Sommeranzug und einen Strohhut. Auf den ersten Blick sahen die beiden wie ein ganz normales älteres Ehepaar aus. Nur wer Rajiv genauer betrachtete, erkannte, dass er kein Europäer war. Imelda liebte ihren zweiten Mann wie am ersten Tag. Die Ehe mit ihm ließ sie jünger erscheinen, als sie tatsächlich war. Sie war mittlerweile über fünfundsiebzig Jahre alt und wirkte immer noch rüstig und jugendlich, ganz im Gegensatz zu Johannes, den die schwere Arbeit auf der Farm

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