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Sehnsucht nach Owitambe

Sehnsucht nach Owitambe

Titel: Sehnsucht nach Owitambe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Mennen
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vielleicht gibt es außer deiner glücklichen Rückkehr noch mehr zu feiern?«
    Er deutete unverhohlen auf Maipangwe und ihn, was er als eindeutige Aufforderung verstand, noch heute um das Mädchen zu werben. In diesem Augenblick kam Katondoihe. Sein Cousin und bester Freund hatte ebenfalls von seiner Ankunft erfahren. Er besaß mittlerweile eine eigene Onganda, die allerdings nicht weit von Wapengas entfernt war. Auch er freute sich, den Heimkehrenden wiederzusehen.
    »Mein lieber Bruder«, begrüßte er ihn herzlich. »Jeder im Tal lobt das Fell deiner schönen Rinder. Ich habe gehört, du willst dich verloben?«
    Raffael errötete. Jeder Himba im weiten Umkreis schien mehr zu wissen als er. Sein Unwohlsein nahm schlagartig wieder zu. Alles ging ihm viel zu schnell. Wapenga trug den beiden jungen Männern auf, ein von ihm ausgewähltes Rind zu schlachten. Rutako führte das Schlachtrind unter einen schattigen Baum. Beim Töten eines Tieres durfte niemals Blut vergossen werden. Nur wenn ein wichtiges Sippenoberhaupt starb, wurde dem Tier die Kehle durchgeschnitten. Katondoihe packte das Rind um den Hals und warf sich mit aller Kraft auf das Tier. Raffael tat es ihm gleich und versuchte gleichzeitig, seine Vorderläufe zum Einknicken zu bringen. Gemeinsam rangen sie das Tier auf den Boden und drückten seinen Hals auf den staubigen Sand. Dann erdrosselten sie das Tier, indem Raffael ihm mit dem Knie die Kehle abdrückte. Nachdem das Tier verendet war, knuffte Katondoihe ihn kameradschaftlich in die Seite.
    »Hast du sie schon gefragt?«
    Raffael tat so, als verstünde er nicht.
    »Was soll ich wen fragen?«
    »Du weißt genau, was ich meine.« Katondoihe schlitzte mit seinem Messer die Bauchdecke des Rindes auf deutete auf die
helle mit weißem Fett überzogene Innenseite des Fells. »Daraus kann man wundervolle Hauben für die Frauen machen«, grinste er vielsagend. »Schenk sie Maipangwe, dann weiß jeder, dass du sie zur Frau haben willst.«
    »Ich brauche keine Frau«, knurrte Raffael unwillig.
    »Jeder Mann braucht eine Frau«, widersprach sein Cousin. »Es wird Zeit, dass du an deine Zukunft denkst. Maipangwe ist das schönste Mädchen weit und breit. Sie wird dir viele Kinder gebären und dich zu einem wahrhaft reichen Mann machen. Du hast sie doch auch gern! Geh zu ihr.« Er klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter.
    Raffael schwieg. Vielleicht hatte Katondoihe ja recht. Wenn er Maipangwe heiratete, wurde die Tür zu seiner Vergangenheit endgültig geschlossen werden.
     
    Das getötete Rind wurde zerlegt, und die Frauen der Onganda garten das Fleisch über kleinen Feuern. Tjivere, Wapengas Frau, bereitete aus den Innereien eine Art Pastete, die sie mit saurer Milch anrührte. Dazu kochte sie Kürbis und Wurzeln. Wie es Brauch war, musste Wapenga vor dem Fest erst seine Ahnen anrufen und Venomeho und dessen Vater Heova um den Segen und um eine glückliche Zukunft für die Familie bitten. Die Geister der Vorfahren beschützten die Familie einer Onganda nur, wenn man ihnen regelmäßig Opfergaben darbrachte und das heilige Feuer zwischen dem Otjizero, der heiligen Hütte, in der das Familienoberhaupt lebte, und dem Kälbergehege nie ausgehen ließ. Da die Himbas halbnomadisch lebten, zogen sie während eines Jahres bis zu zehnmal um. Es war Aufgabe der Frauen, aus den Ästen der Mopanebäume und angerührtem Kuhdung neue Hütten zu bauen und eine Onganda anzulegen. Das heilige Feuer wurde bei jedem Umzug in einem Lehmbehälter mitgeführt. Jeden Morgen führte das Sippenoberhaupt eine zeremonielle Milchprobe durch, um die
Ahnen zu bitten, die Milch von Tabus zu befreien. Keiner in der Gemeinschaft durfte vor dieser Zeremonie etwas von der frisch gemolkenen Milch trinken. Selbst die Kleinkinder bekamen ihr Frühstück erst danach.
    Heute bat Wapenga seinen Neffen zu sich ans heilige Feuer und erwies ihm damit eine große Ehre.
    »Hör gut zu, was die Ahnen zu dir sagen, Rutako«, forderte er ihn auf und gab eine Kräutermischung auf die glimmende Glut. Sofort entwickelte sich ein würziger Rauch. Wapenga bedeutete ihm, den Rauch tief einzuatmen. Raffael tat, was von ihm verlangt wurde, und merkte, wie sein Bewusstsein sich zu trüben begann. Das muntere Geplapper der Umstehenden rückte in den Hintergrund, stattdessen nahm er lautes Trommeln wahr, das sein Blut in rhythmische Wallungen versetzte. Der blaugraue Rauch des heiligen Feuers verfestigte sich und begann langsam Formen anzunehmen. Vor ihm tauchte das

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