Sehnsucht nach Owitambe
vorgestellt, dass sie es sei, der er gerade beilag. Erst nachdem er sich in Maipangwes Schoss ergossen und seine Lust schlagartig nachgelassen hatte, war ihm bewusst geworden, dass nicht sie seine Geliebte
gewesen war. Er war über sich selber so beschämt gewesen, dass es ihn große Mühe gekostet hatte, nette Worte für Maipangwe zu finden. Schweigend waren sie den Weg zurückgegangen. Um nicht weiter nachgrübeln zu müssen, setzte er sich zu seinem Freund Katondoihe und trank einen kräftigen Schluck aus der Kalebasse mit Kari. Das Getränk zeigte bald Wirkung, doch anstatt Raffaels Stimmung zu heben, versetzte ihn der Alkohol in Trübsinn. Wapenga, Tjiveri, Maipangwe, sogar ihr Vater Kathetaura und schließlich auch Katondoihe begannen um ihn herumzutanzen. Die mit dichten Perlenreihen geschmückten Fußfesseln der tanzenden Mädchen stampften rhythmisch auf den staubigen Boden und brachten ihn zum Vibrieren. Katondoihe zog Raffael hoch und forderte ihn auf zu tanzen. Widerstrebend reihte er sich in den stampfenden Reigen ein und versuchte gegen seine Stimmung anzukämpfen. Schon bald gab er jedoch auf, setzte sich wieder auf seinen Platz und trank erneut von dem Kari. Schließlich war er so betrunken, dass er sich nur noch selbst bemitleidete. Wankend erhob er sich und begann auf Deutsch nach Sonja zu rufen. Schließlich weinte er wie ein kleines Kind, weil niemand sie zu ihm brachte. Die Himbas lachten und amüsierten sich über seinen Rausch. Nur Katondoihe beobachtete seinen Freund nachdenklich. Er war der Einzige, der ahnte, dass ihn etwas bedrückte. Schließlich packte er ihn und schleifte ihn zu seinem Ondjuwo, wo er sofort in einen komaähnlichen Schlaf versank.
Als Raffael am nächsten Morgen aufwachte, brummte es in seinem Kopf, als hätte jemand einen Wildbienenschwarm in ihm losgelassen. Er rappelte sich auf und kroch aus seinem Ondjuwo. Die Sonne stieg gerade auf und tauchte die karge Berglandschaft in pastellfarbene Töne. Der Schrei eines Tokos verkündete den beginnenden Tag. Schwankend, mit einknickenden Beinen, machte er sich auf, um nach seinen Rindern
zu sehen. Auf halbem Weg begegnete ihm Katondoihe, der zu seiner eigenen Onganda unterwegs war.
»Du siehst scheußlich aus, Rutako«, begrüßte er ihn. Raffael verzog seinen Mundwinkel zu einem schmerzverzerrten Grinsen.
»Es geht mir schrecklich. Ich gehe zur Tränke, um meinen Kopf wieder klar zu bekommen.«
»Bist du sicher, dass das Wasser dir hilft?«, fragte Katondoihe. Er musterte seinen Freund kopfschüttelnd. »Du warst gestern nicht glücklich, obwohl dir Maipangwe als Frau versprochen wurde.«
»Das scheint nur so«, behauptete Raffael.
»Was heißt ›Sonja‹ in der Sprache der Weißen?«, wollte Katondoihe wissen. Raffael sah ihn erschrocken an.
»Es … es … bedeutet nichts«, stotterte er.
Katondoihe verzog sein Gesicht. »Deine Zunge spricht nicht die Wahrheit«, stellte er fest.
Raffael hatte nicht die Kraft, weiter zu leugnen. Vielleicht verschaffte es ihm ja Erleichterung, wenn er darüber sprach.
»Sonja ist die Frau, die ich liebe«, sagte er schlicht. »Sie ist eine Weiße. Ich kann nicht mehr zu ihr zurück, weil ich ihren Vater getötet habe. Mein Leben als Weißer ist vorbei.«
»Jetzt bist du ein Himba«, bestätigte ihm sein Freund. »Du bist ein guter Hirte, und wenn die Ahnen dir gewogen sind, wirst du auch bald der Vater vieler Kinder sein.«
»So wird es wohl sein!« Raffael klang nicht sehr glücklich.
»Maipangwe wird dir eine gute Frau sein«, sagte Katondoihe. »Die Liebe wird wie ein Vogel zu dir kommen.«
Raffael zuckte hilflos mit den Schultern. »Ich weiß nicht, wie ich es dir erklären soll«, meinte er. »Wapenga und du und Kathetaura und die anderen Männer, ihr alle habt mehrere Frauen und seid mit ihnen glücklich, aber bei dem Volk meines Vaters ist das nicht üblich. Wir lieben nur eine Frau. Ich empfinde
genauso. Mein Herz sagt mir, dass es falsch ist, Maipangwe zu heiraten. Ich liebe sie nicht und werde es auch nie tun.«
»Deine Worte hören sich für mich fremd an«, bestätigte Katondoihe. »Wenn wir nicht wissen, was gut für uns ist, gehen wir dorthin.«
Er deutete auf die fernen Berge. »Geh fort und lausche auf die Stimme deiner Ahnen. Sie werden dir sagen, was gut für dich ist.«
Klare Worte
Erfreulich war, wie positiv sich Imeldas lebenslustige Art auf Ricky auswirkte. Während der gesamten Schifffahrt war sie einsilbig und verschlossen geblieben und hatte
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