Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sehnsucht nach Owitambe

Sehnsucht nach Owitambe

Titel: Sehnsucht nach Owitambe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Mennen
Vom Netzwerk:
einer größeren Speicherhütte, in deren Dach die Vorräte des Clans hingen. Er war längere Zeit fort gewesen und freute sich auf die Gemeinschaft seiner Familie. Yapuhwa, seine Lieblingscousine, kam ihm entgegen. Rutako fiel sofort auf, dass sie sich verändert hatte. Sie trug nicht mehr die Zöpfe der Kinder, sondern hatte ihre Haare in zahlreiche Haarsträhnen gedreht, die nun ihre Augen bedeckten. Um überhaupt etwas zu sehen, musste sie die Strähnen ständig zur Seite schieben. Doch diese kleine Unannehmlichkeit stand in keinerlei Verhältnis zu dem Stolz, den sie zur Schau stellte. Vor wenigen Wochen wäre sie in wilden Sprüngen auf ihn zu gejagt, doch die neuen Knöchelreifen, deren Perlen auf getriebenen Draht aufgezogen waren, wogen schwerer als die alten, die aus den Wedeln der Makalanipalme geflochten waren.
    Yapuhwa strahlte bis über beide Ohren und wartete darauf, dass ihr Cousin sie angemessen begrüßte.
    »Dein Gang gleicht dem einer Gazelle«, schmeichelte Rutako prompt. Er umarmte seine jüngere Cousine herzlich. »Die jungen Männer werden sich bald um dich reißen.«
    Yapuhwa freute sich über das Lob. Sie verehrte Rutako vom ersten Augenblick an, als er vor einem Jahr zu ihnen gekommen war. »Meine Brüste beginnen zu wachsen. Ich bin jetzt kein Kind mehr«, sagte sie stolz. Sie war etwa zwölf Jahre alt und stand an der Schwelle zur Pubertät. Sie schob ihre Fransen
aus der Stirn und fügte stolz hinzu. »Bald werde ich meine Blutungen bekommen und dann werde ich die Haartracht der Frauen tragen.«
    Sie reckte sich und versuchte, möglichst erwachsen zu wirken.
    »Der Mann, der dich zur Frau nimmt, wird einmal sehr reich sein. Willst du mir helfen, meine Rinder in das Gehege zu treiben?«
    »Du hast sie gut gepflegt«, lobte Yapuhwa, während sie ihm half. »Ihr Fell glänzt wie die Haut unseres Volkes. Die neuen Kälber sehen gesund aus, und an der Form ihrer Hörner und an ihrem Fell wird Wapenga nichts auszusetzen haben.«
    »Ist er schon wieder zurück?«
    »Er sitzt vor seinem Ondjuwo und palavert mit Kathetaura.« Und mit einem mehrdeutigen Zwinkern fügte Yapuhwo hinzu: »Maipangwe ist auch dabei. Sie freut sich bestimmt, dich zu sehen.«
    Rutako zog erstaunt eine Augenbraue hoch.
    »Ach ja?«
    Mittlerweile hatten sie die Tiere in den Kraal getrieben, der mit trockenen Ästen und Dornen umzäunt war, und dort eingesperrt. Auf dem Weg zur Hütte seines Onkels wurde es Rutako etwas unbehaglich. Er wusste, dass Kathetaura nicht ohne Hintergedanken zu Besuch bei Wapenga war. Schon bei dem letzten Treffen vor einigen Monden hatten die beiden Männer Bemerkungen über Maipangwe und ihn gemacht. Rutako hatte versucht, die Kuppeleiversuche nicht so ernst zu nehmen. Er mochte das hübsche Mädchen, denn sie war freundlich und lachte gern und viel. Außerdem machte sie keinen Hehl daraus, dass er ihr gefiel. Eigentlich musste er sich geehrt fühlen, denn sie stammte aus der angesehensten Familie des Schlamm-Clans. In den Augen aller war es richtig und gut, wenn er sie zur Frau nahm. Aus diesem Grund hatte ihm sein Onkel schon vor der
üblichen Zeit einen Teil seines Erbes vermacht. Indem Wapenga ihm fünf trächtige Kühe und einen Stier geschenkt hatte, zeigte er Maipangwes Vater, dass er seinem Neffen vertraute. Er hatte Rutako allein mit den Tieren ins Kaokoveld geschickt, damit der junge Mann beweisen konnte, dass er ein guter Hirte war, der es verstand, seine Herde zu vermehren. Tatsächlich hatte er alle Tiere gut genährt zurückgebracht. Die Kühe hatten ohne Probleme ihre Kälber bekommen, und mittlerweile besaß der junge Mann elf gesunde Rinder. Und es würden bald noch mehr werden. Wapenga würde stolz auf ihn sein. Und dennoch war ihm nicht wohl. Die Zeit in der Einsamkeit hatte den jungen Mann reifen lassen. Sein flackerndes, oft aufbrausendes Wesen hatte in der spröden, aber beeindruckenden Kargheit der wilden Berglandschaft kein Ventil mehr gefunden. Sein Herz jedoch hatte immer noch nicht den Frieden gefunden, den er sich erhofft hatte. Er hatte zwar äußerlich den Namen Rutako angenommen, aber tief in seinem Herzen lebte immer noch Raffael, dessen Existenz er am liebsten auslöschen würde. Raffael hatte sich alle Mühe gegeben, ein guter Himba zu sein. Er war dankbar gewesen, weil Wapenga, der Nachfolger seines Großvaters Venomeho, ihn damals auf seiner Flucht so herzlich in seine Familie aufgenommen hatte. Am Anfang war ihm das neue Leben sogar leichtgefallen. Die Himba

Weitere Kostenlose Bücher