Sehnsucht nach Owitambe
erstaunten Sohn und der ebenfalls sprachlosen Jella verschwörerisch zu.
»Weißt du, was deine Mutter im Schilde führt?«, flüsterte sie Fritz zu.
»Keine Ahnung. Ich habe sie seit dem Tod meines Vaters noch nie so aufgekratzt erlebt.«
Während Fritz und Jella nach dem Essen nochmals nach ihren Tieren sahen, ging Imelda mit den beiden Gästen in den Kolonialwarenladen, um sie neu einzukleiden. Die drei kamen erst, nachdem es bereits dunkel war, wieder in die Wohnküche.
»Ihr habt euch ja ganz schön Zeit gelassen«, schmunzelte Fritz. »Ich wusste gar nicht, dass unsere Waren so etwas Besonderes sind.«
»Das sind sie in der Tat«, meinte Rajiv. »Ihre Mutter und Sie verfügen über das unausweichliche Gespür dafür, was die Menschen hier brauchen.«
Imelda lächelte geschmeichelt.
»Allerdings hat Herr Singh mich auf die Idee gebracht, noch den einen oder anderen zusätzlichen Artikel in mein Sortiment aufzunehmen.«
»Ach ja?«
Fritz zog erstaunt seine Augenbraue hoch. »Und was fehlt uns seines Erachtens noch?«
»Sie könnten die Schifffahrtslinie von Bombay nach England nutzen und so auch indische Waren beziehen. Meines Wissens laufen genügend englische Frachtschiffe die Walfishbay an. Wenn es gelingt, über günstige Zollbedingungen zu verhandeln, wäre es ein Leichtes, Safran, Koriander, Nelken, Pfeffer,
Stoffe und vielleicht auch Schmuck in Ihrem Laden anzubieten.«
»Mmmh.« Fritz strich sich nachdenklich über sein Kinn. »Das ist kein schlechter Gedanke. Ich kenne sogar den zuständigen Beamten. Das dürfte kein Problem sein.«
Er musterte den Inder nachdenklich.
»Und wieso machen Sie sich ausgerechnet über unseren Laden Gedanken?«
»Weil ich ihn darum gebeten habe«, fiel Imelda in das Gespräch ein. »Ich hatte da nämlich so eine Idee – und Herr Singh und Herr Knorr waren sofort damit einverstanden.«
»Was meinst du damit?«
»Ganz einfach. Ich möchte die beiden Herren bei mir einstellen! Die ersten Wochen werden Sie umsonst arbeiten, bis sie ihre Schulden bei mir getilgt haben. Danach werde ich sie bezahlen. Herr Singh übernimmt den Einkauf, und Herr Knorr wird sein Redetalent im Laden einbringen. Ich glaube, das ist für uns alle eine gute Lösung.«
Jella strahlte den verdutzten Fritz an.
»Weißt du, was Imelda uns damit sagen will?«, fragte sie.
»Keine Ahnung.«
»O Fritz, sei doch nicht so begriffsstutzig. Du wirst hier künftig nicht mehr gebraucht! Wir können gemeinsam nach Owitambe gehen und unser Haus bauen. Du wirst deine Auffangstation errichten und ich eine Krankenstation. Rajiv und Knorr sind unsere Rettung!«
Die Quelle
Jeden Morgen ritt Johannes mit Samuel einen anderen Teil seines Farmbesitzes ab. Die wenigen Regenfälle in diesem Jahr hatten auch seinen Rindern zugesetzt. Zwar verfügte Owitambe über einige Wasserquellen, doch so manche Quelle war mangels Regen beinahe am Versiegen. Johannes und sein Vorarbeiter besuchten regelmäßig jedes einzelne Wasserloch, um gegebenenfalls die Rinder in ein anderes Gebiet zu treiben. Außerdem mussten Zäune ausgebessert und der Zustand der Tiere begutachtet werden.
Die beiden Männer waren im Westen von Owitambe unterwegs und näherten sich der Nagelquelle, die sich direkt an der Grenze zu Rüdiger von Nachtmahrs Farmland befand. Die Quelle war einer der Streitpunkte zwischen den beiden Farmern. In Johannes’ Kaufvertrag war eindeutig festgelegt, dass die Quelle zu Owitambe gehörte. Der Kontrakt war von höchster Stelle besiegelt und von Samuel Maharero und dem zuständigen Kolonialbeamten unterzeichnet worden. Johannes hatte Nachtmahr allerdings in guter Absicht erlaubt, einmal im Monat Teile seiner Rinderherde ebenfalls an der Nagelquelle saufen zu lassen. Nachtmahr hielt sich in der ersten Zeit an die Abmachung. Doch in den Monaten, in denen Johannes verschollen gewesen war und dessen damaliger Verwalter Victor Grünwald die Farm verwaltet hatte, hatte Nachtmahr es sich zur Gewohnheit gemacht, regelmäßig seine Tiere an die Nagelquelle zu treiben. Grünwald hatte sich nicht darum gekümmert. Auch nach Johannes’ Rückkehr hatte Nachtmahr seine Tiere weiterhin an
die Nagelquelle gebracht, bis Johannes ihm auf die Schliche gekommen war. Es war nicht Johannes’ Art, gleich Streit anzufangen, aber diese Dreistigkeit konnte er nicht dulden, zumal die Quelle nicht genügend Wasser für so viele Tiere bot. Als er Nachtmahr auf dessen Farm Hakoma einen Besuch abstattete, um die Angelegenheit
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