Sehnsucht nach Owitambe
freundschaftlich zu regeln, hatte dieser ihn in einer höchst unhöflichen Art brüskiert. Nachtmahr hatte immerhin die Unverschämtheit besessen zu behaupten, dass die Nagelquelle ohnehin zu seinem Besitz gehörte und er es künftig nicht mehr dulden würde, dass ein verkafferter Farmer wie Johannes ihm irgendwelche Vorschriften mache. Johannes war wütend nach Hause geritten, hatte jedoch in der nächsten Zeit keine Gelegenheit gehabt, sich weiterhin um diese Sache zu kümmern, da Jellas und seine Hochzeit angestanden hatte.
Etwa einen Kilometer von der Nagelquelle entfernt hörten die beiden Männer das verzweifelte Muhen durstiger Rinder.
Johannes zog seine buschigen Augenbrauen zusammen.
»Was hat das zu bedeuten?«
Samuel trieb sein Pferd an.
»Die Kühe haben Durst«, rief er besorgt. »Vielleicht ist Quelle leer?«
»Das kann nicht sein!« Johannes holte zu Samuel auf. »Selbst wenn Nachtmahr sich nicht an die Regeln hält, kann die Quelle nicht so schnell versiegen. Das muss einen anderen Grund haben!«
Sie gaben ihren Pferden nochmals die Sporen und galoppierten direkt in Richtung Nagelquelle. Dort bot sich ihnen ein trauriger Anblick. Zwei Tiere waren bereits verendet. Die anderen standen apathisch und völlig ausgelaugt herum, während die stärkeren Tiere noch jämmerlich schrien – und das keine zwanzig Meter von dem Wasserloch entfernt. Einige Rinder hatten offene Fleischwunden. Johannes erkannte schnell, woher sie rührten.
»Verdammt!«, rief er außer sich. »Dieser elende Tierquäler!«
Mit einem Satz sprang er von seinem Pferd. Nachtmahr und seine Orlam hatten um die Nagelquelle einen dicken Stacheldrahtzaun errichtet. Während seine Rinder ungehindert an die Nagelquelle kamen, war Johannes’ Tieren dieser Weg verbaut. In ihrer Verzweiflung waren die Rinder gegen den Stacheldrahtzaun gerannt und hatten sich dabei schwere Verletzungen zugezogen. Im Anblick des Wassers waren sie dazu verdammt, zu verdursten.
Empört warf Johannes seinen Hut in den Dreck.
»Wenn ich den erwische, dann mache ich Eingemachtes aus ihm! Bring die Zange, Samuel. Wir müssen diesen Zaun hier sofort niederreißen!«
Wenig später machten sich die beiden Männer daran, in den Zaun eine Öffnung zu schneiden. Dann begannen sie die erschöpften Tiere zum Wasserloch zu treiben. Inmitten des Getrampels und der laut schreienden Rinder überhörten sie die herangaloppierenden Pferde. Erst als die Reiter direkt vor ihnen scharf stoppten, registrierten Johannes und Samuel die Männer. Es waren zwei bewaffnete Orlam, Söldner, die Nachtmahr von der Grenze zum britisch-burischen Südafrika angeheuert hatte. Die Männer waren berüchtigt, jede schmutzige Arbeit anzunehmen, wenn sie nur ordentlichen Lohn einbrachte. Nachtmahr setzte auf diese Männer, weil sie außer Geld keine eigenen Interessen kannten. Bei ihnen war ein schmächtig aussehender, vielleicht achtzehnjähriger Junge, der sich offensichtlich in seiner bewaffneten Begleitung unheimlich stark vorkam. Johannes kannte ihn von Jellas Hochzeit. Es war der junge Achim von Nachtmahr, der ihre Hochzeit mit seiner Mistfuhre gestört hatte.
»Verschwinden Sie hier«, keifte der Junge mit überschnappender Stimme. »Und vorher richten Sie unseren Zaun wieder auf!«
Johannes sagte kein Wort. Er musterte den jungen Mann geringschätzig und trieb dann, nach außen völlig ruhig, die Tiere weiter zum Wasser.
»Muss ich Ihnen Beine machen?«, drohte der Junge. Seine Stimme hatte plötzlich etwas Kieksendes vor Empörung. Um seine Absicht zu unterstreichen, trieb er sein Pferd in die Herde und versuchte die Tiere auseinanderzubringen. Für Johannes war das Maß jetzt voll. Er griff dem Jungen energisch in die Zügel und ritt dicht neben ihn.
»Das reicht!«, raunzte Johannes mit gefährlicher Stimme. Achim starrte ihn eingeschüchtert an. Die beiden Orlam sahen den Jungen fragend an und erhoben leicht die Läufe ihrer Gewehre.
»Runter damit!«, donnerte Johannes wütend. »Ich habe genug von euren ehrlosen Spielchen.«
Achim schnappte nach Luft, aber bevor er etwas herausbringen konnte, schnitt Johannes ihm erneut das Wort ab.
»Und du Mistkutscher reitest jetzt sofort zu deinem Herrn Vater und richtest ihm aus, dass ich mir seine Unverschämtheiten keinen Tag länger gefallen lasse. Wenn er bis Morgen früh nicht den ganzen Zaun von meiner Quelle entfernt hat, werde ich mich an die zuständigen Behörden wenden. Hast du verstanden? Die Nagelquelle gehört eindeutig
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