Sehnsucht nach Owitambe
Doch was machen sie stattdessen? Sie rauben uns unser Land und bringen uns Krankheit und Tod. Jetzt wollen sie uns auch noch unsere Rinder stehlen. Ich sage euch: Es ist genug!«
Unter den Männern gab es lautes Gemurmel und Zustimmung, als Nehale erneut ansetzte.
»Wir sind die Löwen!«, rief er kämpferisch. »Die Weißen sind nicht mehr als kleine feige Klippschiefer. Sobald wir brüllen, werden sie in ihren Löchern verschwinden!« Er hob kriegerisch seinen Arm. »Lasst uns ihre Festungen stürmen! Wir sind die Löwen!«
»Wir sind die Löwen!«
Die Männer ließen sich von Nehales Eifer anstecken und brüllten lauthals: »Wir sind die Löwen!«
Im Morgengrauen des nächsten Tages marschierten fünfhundert gut bewaffnete Krieger auf Fort Namutoni los. Nehale wusste, dass kaum ein Soldat das Fort bewachte und glaubte
an einen leichten Sieg. Seine Absicht war es, die Deutschen durch die Zerstörung der Grenzbefestigungen weiter nach Süden zu treiben, damit sie ihren Einfluss auf Ovamboland erst gar nicht ausdehnen konnten. Die Kämpfe mit den Herero und den Nama hielten sie ausreichend beschäftigt, sodass die Ovambos kaum mit einem Vergeltungsschlag zu rechnen hatten. Ein weiterer Vorteil war, dass bei den Weißen niemand mit einem Angriff rechnete. Mit all seinen Männern stürmte Nehale auf Fort Namutoni los. Bis zum Abend wollte er das Fort zerstört haben.
Mit Johannes waren sie zu acht, viel zu wenig, um das Fort erfolgreich zu verteidigen. Hauptmann Friedrich und seine Zechkumpane waren mittlerweile wieder einigermaßen nüchtern. Martens hatte Eimer voller Wasser herangeschleppt und die Männer damit übergossen. Dies und die Angst vor dem bevorstehenden Angriff brachte sie schnell wieder zu Verstand. Friedrich ließ aus der Munitionskammer Waffen, Repetiergewehre und Dynamit holen. Dann machten sie in aller Eile die Kanonen an allen vier Mauerseiten schussbereit. Sie waren kaum damit fertig, als auch schon die ersten Schüsse gegen die Außenmauer krachten. Nehale hatte seine Krieger in zwei Trupps aufgespalten. Einer startete einen Angriff auf das Haupttor, während die anderen den Überraschungseffekt ausnutzen und versuchen sollten, die etwa sechs Meter hohe hintere Mauer zu überwinden. Doch Hauptmann Friedrich hatte den Plan schnell durchschaut und Johannes, Martens und den Gefreiten Ludwig am anderen Ende positioniert. Während er und ein Soldat das Feuer über dem Haupttor eröffneten, empfingen die anderen Männer den zweiten Trupp an der Rückseite. Nehale hatte nicht mit so einem erbitterten Widerstand gerechnet, sondern gehofft, dass ihm das Fort mehr oder weniger kampflos in den Schoß fallen würde. Deshalb hatte er seine Männer ohne Deckung stürmen lassen. Die Folgen waren
fatal. Schon bei der ersten Angriffswelle wurden über zwanzig seiner Krieger getötet. Auf der Rückseite des Forts nochmals fünf. Er zog seine Männer wieder zusammen und entfernte sich ein Stück von dem Fort, um nochmals zu beratschlagen. Kurz vor Sonnenuntergang stürmten sie in geballter Formation erneut. Dieses Mal konzentrierten sie sich nur auf das Tor, das durch den ersten Beschuss schon ziemlich mitgenommen war. Alle Krieger zielten auf das immer maroder werdende Holztor. Nehale hoffte, durch die bloße Überzahl das Hindernis überrennen zu können. Doch auch das hatte Friedrich vorausgesehen und alle Männer nach vorn geholt. Mit Kanonen, Dynamit und Repetiergewehren schossen sie blind auf die stürmende Menge. Schreie, Explosionen, Rauch und schließlich auch der Geruch von Blut erfüllten den Abendhimmel an der Etoscha. Nehale verlor nochmals an die vierzig Mann. Enttäuscht und wütend blies Nehale zum Rückzug. Er beschloss, in den frühen Morgenstunden sein Werk zu vollenden.
»Wir können das Fort nicht halten!«, schnaufte Hauptmann Friedrich völlig außer Atem. »Wir haben Glück, dass sie uns nicht heute schon überrannt haben.«
Die Männer waren erschöpft und voller Staub und Ruß, aber keiner von ihnen war ernsthaft verletzt. Nur Johannes hatte von einem Querschläger eine tiefe Schramme an der Stirn, die heftig blutete.
»Wir müssen fliehen!«, meinte er und wischte sich mit dem Ärmel über sein mit Blut beschmiertes Auge. »Das ist unsere einzige Chance. Sie werden heute Nacht erneut angreifen. Sie wissen genau, dass das Tor fast gestürmt ist und werden die Dunkelheit ausnutzen, um es ganz zu zerstören. Bevor sie kommen, müssen wir verschwunden sein.«
Die Männer
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