Sehnsucht unter suedlicher Sonne
lebensgefährlich, sich zu nah heranzuwagen.
Trotz der Nachmittagshitze empfand er plötzlich eine eisige Kälte. Sie kroch ihm den Rücken hinauf und erfasste sogar seine Hände. Für einen Moment war die Zeit stehen geblieben.
„Wer sind Sie?“, fragte er und legte ihr von hinten eine Hand auf die Schulter. Das T-Shirt, das sie trug, war mindestens zwei Nummern zu groß, sodass man ihre Brüste nicht erkennen konnte.
Genevieve fuhr herum und blickte ihn entsetzt an. „Was für eine seltsame Frage!“
„Warum atmen Sie dann so schwer?“
„Weil Sie mir Angst machen.“ Das war nicht gelogen.
„Ich … Ihnen?“ Die Luft knisterte fast vor Spannung. „Befürchten Sie nicht eher, dass ich Ihr Spiel durchschauen könnte?“
„Mein Spiel?“, wiederholte sie. „Wie kommen Sie denn darauf?“ Er stand so überlegen vor ihr, dass sie langsam die Geduld verlor. Musste er sie unbedingt provozieren?
„Ich täusche mich meistens nicht.“ Er sagte das ruhig, aber seine Stimme hatte einen Unterton, der sie erschreckte. Wenn er es wollte, war sie schon morgen aus dem Dienst entlassen.
„Wirklich nicht?“
„Und ich werde die Wahrheit herausfinden. Stimmt es, dass Sie hier sind, um Hesters Buch zu schreiben?“
„Natürlich stimmt das.“ Sie wagte nicht, seinem Blick auszuweichen. Noch nie hatte ein Mann sie so schamlos angesehen. Sie kam sich plötzlich sehr nackt vor. Bloßgestellt.
„Wie kommt es dann, dass ich das Buch für einen Vorwand halte?“
„Es ist der einzige Grund für mein Kommen. Ich habe ausgezeichnete Empfehlungen.“
„Das weiß ich.“ Er zuckte die Schultern, als wären die für ihn ohne jede Bedeutung. „Ich habe sie sogar gelesen. Bitte unterschätzen Sie mich nicht, Miss Grenville.“
Sie lachte leise auf. „Als ob ich das wagen würde!“
„Mutig scheinen Sie aber zu sein.“ Er stimmte in ihr Lachen nicht ein, sondern blieb todernst. „Ich bin mir fast sicher, dass Sie einen Plan verfolgen. Nur das können oder wollen Sie nicht zugeben, weil dann Ihre Tarnung auffliegen würde.“
Es fiel Genevieve schwer, klar zu denken. Brettons mitleidloser Blick irritierte sie. Ein schrecklicher Gedanke, diesen Mann zum Feind zu haben.
„Wenn man Sie so reden hört, könnte man mich für eine Spionin halten“, spottete sie.
Bretton nickte. „Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass Sie auf dem Gebiet erstklassige Arbeit abliefern würden. Warum haben Sie verschwiegen, dass Sie eine gute, wenn auch wenig sachverständige Reiterin sind? Ihre Vorführung war exzellent. Besonders hat mich beeindruckt, wie Sie sich im Fallen abgerollt haben. Sie tragen eine Brille, die sie nicht brauchen, und kleiden sich absichtlich so schlecht, dass man darüber heulen könnte. Alles, was Sie anziehen, ist zwei Nummern zu groß … und dann Ihr Haar!“ Er griff blitzschnell nach einer Strähne, die sich aus dem braven Knoten gelöst hatte, und ließ sie im Sonnenlicht funkeln. „Jede andere Frau würde diese rote Pracht offen zeigen.“
Genevieve reagierte mit dem ganzen Körper auf seine Berührung. „Es freut mich, dass Ihnen mein Haar gefällt“, brachte sie mühsam hervor. „Ihre Tante mag es im Gegensatz zu Ihnen überhaupt nicht leiden. Mit einer wilden roten Mähne hätte sie mich wahrscheinlich nicht akzeptiert. Ist das so schwer zu verstehen?“
„Ja“, antwortete er und lächelte leicht. „Sie möchten gern bescheiden erscheinen, aber wir wissen beide, dass es nur gespielt ist. Schönheit lässt sich nicht verbergen, Genevieve … sosehr man es auch versucht. Ich glaube eher, dass Sie die Scharade für einen klugen Schachzug halten.“
Genevieve sah zu den Pferden hinüber, die ruhig dastanden und nur die Ohren bewegten, als hörten sie dem Gespräch zu. Dann wandte sie sich wieder an Bretton. „Ich gebe zu, dass es meine Absicht war, Miss Trevelyans Vorstellungen von einer seriösen Mitarbeiterin zu entsprechen. Ich wollte ernst genommen werden und nicht den Eindruck erwecken, ich sei auf der Suche nach einem Mann.“
„Wen haben Sie in Brisbane zurückgelassen?“, fragte er so plötzlich, dass sie sich überrumpelt fühlte. „Das wüsste ich zu gern.“
„Einen Exverlobten“, antwortete sie, um dem peinlichen Thema ein Ende zu machen. „Ich habe die Beziehung gelöst … genau wie Sie.“
Halt, halt! Du wagst dich viel zu weit vor. Vergiss nicht, wer er ist.
Doch es war schon zu spät. Die sinnliche Spannung zwischen ihnen ließ sich nicht mehr leugnen. Sie
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