Sehnsucht unter suedlicher Sonne
Galopp zu verfallen?“
„Ich gebe dir mein Wort“, versprach sie und presste die Hand auf ihr wild klopfendes Herz.
6. KAPITEL
Es gelang Genevieve schneller, als sie befürchtet hatte, sich durch das umfangreiche Material hindurchzuarbeiten, das für sie bereitlag. Hin und wieder tauchte Hester bei ihr auf. Sie kam natürlich, um festzustellen, ob Fortschritte gemacht wurden – vielleicht auch, um Genevieve bei einem Fehler zu erwischen.
Doch Genevieve machte nichts falsch. Trotzdem war es ihr unmöglich, sich in Hesters Gegenwart zu entspannen. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass ihre Auftraggeberin in ihrer Jugend ziemlich skrupellos gewesen war. Ein schlimmer Verdacht, falls das nicht zutraf … Und wenn doch?
Viele Fragen wollten beantwortet werden.
Bretton war mit seiner King Air verschwunden, um mehrere Außenstationen zu besuchen. Derryl – ein leidenschaftlicher Partyfreak – hatte tatsächlich seine Freunde über das Wochenende eingeladen. Sie waren in eigenen Flugzeugen angereist. Genevieve hatte aus der Ferne ein hübsches junges Paar wahrgenommen, das erst seit Kurzem verheiratet war, wie sie von Nori erfuhr. Eine weitere Besucherin, eine langbeinige Blondine, ganz nach Derryls Geschmack, galt als seine derzeitige Freundin.
Um allen Peinlichkeiten von vornherein aus dem Weg zu gehen, frühstückte Genevieve früher als sonst. Das Mittagessen nahm sie wie üblich im Wassergarten in der Gesellschaft des weißen Marmorbuddhas ein, und das Dinner schickte Nori ihr durch eins der Hausmädchen aufs Zimmer. Allmählich lernte sie auch die Namen der Angestellten, die fremdartig klangen und ihr besonders gut gefielen.
Einige Originalbriefe und – berichte waren so beschädigt, dass man sie kaum noch lesen konnte, aber es blieb reichlich verwendbares Material übrig, mit dem sie in der Lage war, zu arbeiten. Die Geschichte der Trevelyans, die hier im Outback eine neue Heimat gefunden hatten, fesselte sie inzwischen so sehr, dass sie sich kaum noch von den Unterlagen losreißen konnte. Mit gleicher Hingabe versuchte sie weiter, Catherines Schicksal zu erforschen.
Ihre Erwartung, Hester würde ihr weitere Informationen zukommen lassen, erfüllte sich allerdings nicht. Die alte Dame überließ sie ganz sich selbst. Genevieve sah vor allem die Fotos immer wieder durch, um womöglich ein Bild von Catherine und ihrer Freundin Patricia zu entdecken. Diese Hoffnung beflügelte sie und half ihr, die anstrengenden Stunden in der Bibliothek durchzustehen.
Nachdem sich das Chaos ein wenig gelichtet hatte, teilte sie das Material in zwei verschiedene Gruppen auf. Was verwertbar war, kam auf die eine Seite, der Rest auf die andere. Wenn das Buch über die Trevelyans mit Erfolg veröffentlicht werden sollte, musste es reißerischen Charakter haben. Es musste Leser ansprechen, die nicht nur an nüchternen Zahlen und Fakten interessiert waren, sondern gern Privates über die Familie erfahren wollten. Anekdoten über berühmte Persönlichkeiten, die auf der traditionsreichen Ranch zu Gast gewesen waren, würden sich dazu besonders eignen.
Vielleicht ließ sich sogar ein Hinweis auf Catherine Lytton einflechten, die bei einem mysteriösen Unfall auf Djangala ihr Leben verloren hatte. Derartige Tragödien erhöhten die Spannung, genauso wie glückliche oder unglückliche Liebesgeschichten, Geburten und Todesfälle. Natürlich durfte nichts beschönigt werden. Von den alten Fotos würden nur die besten zu verwenden sein, aber sie durften keinesfalls fehlen, weil sich die Leser dann besser in die frühen Pioniere des Outback hineinversetzen konnten. Jeder, der irgendwie eine wichtige Rolle gespielt hatte, musste erwähnt werden. Nichts Entscheidendes durfte übersehen werden.
Sie würde natürlich mit Richard Trevelyan beginnen. Er hatte den Mut besessen, seine Heimat Cornwall zu verlassen und zum ältesten Kontinent der Erde aufzubrechen. Dabei würde sie viel über seinen Sohn Geraint, Hesters Bruder, erfahren, der angeblich Catherine geliebt hatte, obwohl er mehr oder weniger deren Freundin Patricia versprochen war. Die Trevelyans wurden Catherine nicht los, und wenn sie sich noch so sehr darum bemühten.
Früher oder später würde Genevieve vielleicht die Hintergründe der Tragödie aufklären können.
Du musst wahrscheinlich sehr tief graben.
Bretton blieb drei Tage weg, und Genevieve ging so in ihrer Beschäftigung auf, dass sie fast das ganze Wochenende in der Bibliothek zubrachte. Nori war sehr
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