Sehnsucht unter suedlicher Sonne
sie nicht so davonkommen lassen. „Wo war Adeline Baker an dem Unglückstag? Du weißt es.“
Hester begann mit der Goldquaste an dem Gürtel ihres Hausmantels zu spielen. „Addie war mit einem Pferd unterwegs. Sie konnte sehr gut reiten.“
„Die Frau, die auf dem Foto den Blick abgewendet hat … Ist das Adeline Baker?“
„Ja, das ist Addie.“ Hester rang mühsam um ihre Fassung. „Sie machte mir mitleidlos klar, was sie von mir hielt. Sie hasste Catherine, weil sie mich angeblich verführt hatte, was aber nicht der Wahrheit entsprach.“
„Catherine war ausgeritten, Adeline ebenfalls. Es ist gut möglich, dass sie ihr folgte, um sie zur Rede zu stellen.“
„Das beweist noch nicht, dass sie Catherine von der Klippe gestoßen hat“, fuhr Hester auf.
Bretton gewann allmählich ein klareres Bild. Womöglich hatte auch Adeline Baker tiefere Gefühle für Hester gehegt. Hester war eine schöne und begabte junge Frau gewesen.
„Du bist nicht mit Adeline in Verbindung geblieben?“, fragte er.
„Sie verließ mich mit dem ausdrücklichen Wunsch, nie wieder etwas von mir hören zu wollen.“ Hester empörte sich noch immer über die damals erlittene Kränkung. „Das musste sie mir nur einmal sagen. Ich hätte ihr meine Gefühle für Catherine niemals beichten dürfen.“
„Vielleicht empfand Adeline ähnlich für Sie“, deutete Genevieve vorsichtig an. „Liebe, Hass … beides lässt sich oft nicht voneinander trennen.“
Ein heller Schimmer erschien in Hesters dunklen Augen und erlosch wieder. „Ihr glaubt also, dass Catherine keine Ruhe findet?“
„Offenbar nicht“, erwiderte Bretton. „Genevieve hat das unheimliche Gefühl, von ihr verfolgt zu werden.“
„Der Himmel allein weiß, wie viele Jahre sie mich verfolgt hat“, seufzte Hester. „Ich hätte ihr kein Haar krümmen können. Ich habe sie geliebt, Bretton … den einzigen Menschen außer dir, meinem Vater und meinem Bruder. Meiner Mutter stand ich niemals nah, und selbst Romayne und Derryl sind mir fremd geblieben. Ich weiß, das ist meine Schuld. Ich habe mich zu sehr verändert, und das Ergebnis ist nicht sehr erfreulich. Catherines Verlust tötete meinen Lebensnerv. Ich habe kein Verbrechen begangen und mich im Herzen doch immer schuldig gefühlt. Mein Leben lang haben mich Catherines Augen verfolgt. Ich verstehe nur zu gut, dass Genevieve die Wahrheit erfahren will, aber mehr werdet ihr von mir nicht hören. Ich habe euch alles gesagt, was ich weiß.“
Bretton stand auf. „Ich werde mich nach deiner alten Freundin Adeline Baker erkundigen“, erklärte er. „Natürlich ganz diskret.“
Hester schüttelte traurig den Kopf. „Sie lebt bestimmt nicht mehr.“
„Wenn sie in den Unfall verwickelt war, hat sie ihr Leben lang eine schwere Last mit sich herumgetragen.“ Genau wie du.
Hesters Augen hatten allen Glanz verloren. Sie wirkte wie eine Frau, über die ein vernichtendes Urteil gesprochen worden war. „Ich hätte nicht so lange schweigen dürfen“, klagte sie sich selbst an. „Begreifst du nicht, Bretton? Catherine hat Genevieve zu uns geführt. Das erscheint unglaublich, aber was für eine andere Erklärung könnte es geben?“ Sie wandte sich an Genevieve. „An dem Buch können wir natürlich nicht weiterarbeiten … das ist ganz ausgeschlossen. Sie wissen zu viel und würden mich immer an Catherine erinnern. Ich wünsche, dass Sie Djangala verlassen. Mein Leben hat keine Bedeutung mehr. Ich bin hier ohnehin immer nur geduldet worden. Sorge dafür, dass sie verschwindet, Bretton. Damit tust du dir selbst einen Gefallen.“
„Genevieve bleibt“, erklärte Bretton bestimmt. „Ich werde nicht zulassen, dass sie fortgeht.“
Hester fuhr zu ihm herum. „Du verrätst mich also?“, rief sie zutiefst empört. „Bei Geraint war es mit Catherine genauso. Du bist verrückt nach ihr, nicht wahr?“
Bretton hielt ihrem durchdringenden Blick stand. „Weshalb regst du dich so auf?“, fragte er gefasst. „Nein, das bin ich nicht. Ich liebe Genevieve vielmehr und möchte sie heiraten. Was uns verbindet, kann nicht zerstört werden und wird ein Leben lang halten. Als ich Genevieve zum ersten Mal begegnete, wusste ich, dass ich der Liebe begegnet war. Die Franzosen nenne es coup de foudre. Du müsstest am besten wissen, was Liebe auf den ersten Blick bedeutet.“
Hester hatte den Kopf gesenkt und blickte nicht mehr auf. „Was geschehen soll, geschieht“, murmelte sie vor sich hin. „Mich geht das nichts mehr
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