Sehnsucht
Zukunft frei erscheint, dann bekommt die Verliebtheit Flügel, aber wenn sie keine Aussicht auf Verwirklichung hat, wenn die Liebe unerreichbar und unmöglich erscheint, dann erhält die SüÃe der Verliebtheit einen ganz bitteren Beigeschmack.
So kann es nicht mehr weitergehen! Ich kann nicht mehr richtig essen, leide an Schlafstörungen, laufe wie traumwandelnd durch die Welt, kann mich nicht mehr auf meine Arbeit konzentrieren, mitmeinen Gefühlen fahre ich Achterbahn und meine Phantasien machen mich schier fertig. Ich habe so einen ziehenden Schmerz in der oberen Bauchgegend, seitdem ich sie das erste Mal gesehen habe, und immer wenn ich an sie denke, tut es weh, es schmerzt richtig, aber ich fühle mich dabei lebendig. Wenn ich in ihrer Nähe bin, lässt dieser Schmerz etwas nach, je näher wir uns sind, desto besser geht es mir. Ich glaube, nur wenn ich sie in den Armen halten würde oder besser noch, wenn ich in ihr drin wäre, körperlich und seelisch, dann würde dieser Schmerz langsam vergehen. Irgendwie hatte ich von Anfang an das Gefühl tiefer Vertrautheit, als ob wir uns schon lange kennen würden. Da wir uns immer nur zusammen mit anderen bei Projektbesprechungen sehen, sind wir nie alleine. Die anderen stören mich langsam, am liebsten würde ich sie dann alle rausschicken. Das Gefühl des Verliebtseins kenne ich, da fühle ich mich immer leicht und beschwingt. Aber diese Sehnsucht habe ich so noch nicht erlebt, sie treibt mich langsam zum Wahnsinn, irgendetwas muss passieren! Tagsüber versinke ich immer öfter in Träumereien und gebe mich meinen Phantasien hin. Dann lieben wir uns in meiner Phantasie, wir sind immer zusammen, ich sehe ihre Augen vor mir, ihren Mund, ihren Körper, wir sprechen zärtlich miteinander und wenn ich aus den Träumen wieder in die Wirklichkeit zurückkehren muss, ist das wie eine kalte Dusche. Sie ist eine neue Kollegin, sie ist verheiratet und hat auch eine Familie, genauso wie ich. Es ist also ganz unmöglich, dass daraus etwas wird. Sie arbeitet in einer anderen Abteilung, deshalb sehen wir uns nur selten. Aber ich überlege mir immer öfter, unter welchem Vorwand ich in ihre Abteilung gehen könnte, wen ich dringend sprechen muss, um in ihre Nähe zu kommen. Neulich habe ich gar nicht gemerkt, wie ich zu ihr gegangen bin. Ich stand plötzlich vor ihrer geöffneten Zimmertür und sie lächelte mich an und fragte mich, ob ich mich verlaufen hätte. Ich habe nur Ja gestottert und bin schnell weitergegangen. Ich weià nicht, ob es ihr auch so geht, manchmal sieht sie mich ganz intensiv an, und dann möchte ich am liebsten sagen: Wir sollten jetzt mal offen sein und uns unsere Liebe eingestehen! Aber dann sagt wieder eine Stimme in mir: Du spinnst, reià dich zusammen, du hast einfach eine blühende Phantasie, sei endlich vernünftig! Sobald ich nachts wach werde, habe ich ihr Bildvor meinen Augen und gebe mich hemmungslos meinen Phantasien hin. Wie viel Zeit ich schlafe oder im Halbschlaf mit meinen Träumen von ihr verbringe, weià ich gar nicht. Meine Phantasien sind Bilder voller Gefühle, alles in Farbe und unglaublich intensiv. Ich weià nicht mehr, was zuerst da war, die Gefühle, die Phantasien, oder die Sehnsucht. Ich kann die Gefühle und meine Phantasien nicht mehr abstellen. Ist Sehnsucht eigentlich eine seelische Krankheit? Irgendwie fühlt es sich so an. Sagen Sie mir, was ich machen soll!
Sprechen Sie über diese Gefühle und Phantasien!
Aber das macht doch alles nur noch schlimmer! Dann werde ich Ihnen nur noch mehr von dieser Frau vorschwärmen und in meiner Sehnsucht zerflieÃen, das kann mir doch nicht helfen.
Doch, wir müssen Ihre Phantasien und Gefühle verstehen! Welche Bilder sind das? Welche Geschichten erzählen sie? Welche Bedeutung haben sie? Welche Beziehung besteht zu Ihrem realen Leben? Wohin werden Sie von den Phantasien und Gefühlen gezogen? Erst dann können wir Ihre Sehnsucht verstehen und Sie können besser mit ihr umgehen.
Das klingt für mich erst einmal nach Folter â¦
Ja, aber es ist doch nur eine Folter in der Phantasie und darin haben Sie ja jetzt schon ein wenig Ãbung. Stellen Sie sich einfach vor, Sie sind Odysseus und hören den Klang der Sirenen. Der hat sich an den Mast seines Schiffes gebunden, um nicht schwach zu werden. Und Sie binden sich bei mir in der Therapie an und erzählen mir
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