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Sehnsuchtsland

Sehnsuchtsland

Titel: Sehnsuchtsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inga Lindström
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Yachten entlangschweifen , die an der Mole vertäut lagen. »Was baust du denn im Moment?«
    »Eine neue Dreiundvierziger«, sagte er stolz. »Henriks bester Entwurf, und meine beste Arbeit.« Er griente, als hätte er etwas Komisches gesagt. »Sie ist fast fertig. Komm doch vorbei und schau sie dir an! In ein paar Tagen ist Stapellauf.«
    »Ja, das würde ich gerne.« Linda atmete tief ein. Allein hier draußen zu stehen und die Schiffe zu sehen, die in der Werft entstanden waren... Das hier war so viele Jahre lang ihr Zuhause gewesen, doch sie merkte erst in diesem Augenblick, wie sehr sie es vermisst hatte.
    »Ich gehe jetzt zu Papa«, verabschiedete sie sich von Olav.
    »Ja, mach das«, rief er ihr hinterher. »Und sag ihm, dass er einen großen Fehler macht! Es wird ihm das Herz brechen, wenn er die Werft verkauft!«
    Düster sagte Linda sich, dass der Alte mit dieser Einschätzung sicher nicht allzu falsch lag. Wenn ihr selbst der Gedanke an einen möglichen Verkauf schon so zusetzte — was musste es dann erst bei ihrem Vater anrichten? Er war verrückt, wenn er glaubte, danach freier weiterleben zu können! Sein ganzes Herzblut steckte in dem Unternehmen, das seit drei Generationen in Familienbesitz war. Auch wenn er es vielleicht nicht wahrhaben wollte — es würde ihn umbringen, die Werft wegzugeben.
    Sie ging durch die Halle und grüßte die Arbeiter, denen sie begegnete. Die meisten kannte sie, aber es waren auch neue Leute dazugekommen. Die Thorwaldsson-Werft war ein Garant für viele Arbeitsplätze hier in der Gegend, und vermutlich hatte die Nachricht über den bevorstehenden Eignerwechsel für einige Unruhe unter der Belegschaft gesorgt. Verkauf war für viele Beschäftigte gleichbedeutend mit Rationalisierung, was häufig nichts anderes besagte, als dass mit zahlreichen Entlassungen gerechnet werden musste.
    Linda hatte die Tür zum Büro ihres Vaters erreicht und blieb nervös einige Sekunden davor stehen, bevor sie den Mut aufbrachte, anzuklopfen.
    Sein Herein klang nicht so gebieterisch wie früher, sondern unendlich müde. Entschlossen drückte Linda die Klinke nieder und betrat mit festen Schritten den Raum.
    » Hej , Papa.« Sie versuchte ein Lächeln, war aber kaum in der Lage, ihr Entsetzen zu verbergen. Sein Gesundheitszustand musste sich im Laufe der letzten Woche rapide verschlechtert haben. Er hatte in der kurzen Zeit nicht nur um einiges abgenommen, sondern seine Züge waren auch stark eingesunken, und sein Gesicht war so bleich, dass er wie ein Fremder auf Linda wirkte.
    »Henrik sagte, dass du krank bist«, sagte sie betont sachlich.
    Er reagierte unwirsch. »Das geht ihn nichts an. Ich sorge schon dafür, dass er seine Stelle behält.«
    »Es geht ihm nicht um sich. So gut müsstest du ihn kennen.«
    Lennart wandte sich ab und starrte auf seinen leer geräumten Schreibtisch. Das ganze Büro wirkte seltsam nackt mit den kahlen Regalen und den abgedeckten Schaustücken. Hier war alles für den endgültigen Ausstieg ihres Vaters vorbereitet. Nur die alte Standuhr neben der Tür tickte weiterhin unermüdlich vor sich hin, zerteilte die Augenblicke mit unerbittlicher Regelmäßigkeit, wie zum Beweis dafür, dass seine Zeit bald abgelaufen wäre.
    »Bitte, Papa, lass uns reden! Wieso musst du unbedingt die Werft verkaufen?«
    »Wieso interessiert dich das?«
    »Vielleicht deswegen, weil ich mir Sorgen mache!«, sagte sie heftig. »Oder vielleicht, weil mir unsere Werft am Herzen liegt!« Mit leiser Stimme setzte sie hinzu: »Vielleicht auch, weil ich deine Tochter bin.«
    »Jetzt auf einmal? Was ist denn so anders als vor vier Jahren?«
    »Papa, bitte, das macht keinen Sinn!«, begehrte Linda verzweifelt auf. »Ich will dir wirklich helfen! Lass mich zurückkommen! Lass uns zusammenarbeiten!«
    Er richtete sich auf. »Du hast doch einen Job im Schifffahrtsmuseum.« Seine Miene war völlig unbewegt. »Oder wirfst du den auch einfach so weg wie damals deinen Job hier?«
    Linda holte Luft. »Mein Platz ist hier. Bitte, gib mir eine Chance.«
    Er starrte sie an. Sein Gesicht war grau, und mit einem Mal sah er uralt aus. »Es hat keinen Sinn, Linda.« Seine Schultern sanken nach vorn, und Linda glaubte zu sehen, dass er das linke Bein ein wenig nachzog, als er zur Tür ging. Er öffnete sie behutsam, verließ den Raum und machte sie dann leise hinter sich zu.
    »Papa«, flüsterte Linda in das leere Zimmer hinein. »Ich bin doch hier... «
    Laut aufweinend lehnte Linda die Stirn gegen das

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