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Sehnsuchtsland

Sehnsuchtsland

Titel: Sehnsuchtsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inga Lindström
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Linda... Ich hätte dich niemals gehen lassen dürfen... «
    Diesmal war sie es, die ihn mit ihren Lippen zum Schweigen brachte, und dann gab es in der Dämmerung des heraufziehenden Abends für lange Zeit nur noch sie beide.

    *

    Lennart stand vor dem geschlossenen Fenster und starrte hinaus in die Nacht, grübelnd und in Erinnerungen versunken. Der weiträumige Salon hinter ihm lag im Dunkeln, bis auf das matt erhellte Rund in der Mitte des Zimmers, wo die Sitzgruppe stand. Hin und wieder knackte es in den Balken der niedrigen Decke, doch davon abgesehen war es vollkommen still um ihn herum. Keines der üblichen Geräusche von oben war zu hören, weder Gunillas Herumstolzieren noch Henriks unmögliche altmodische Musik. Erst das absolute Fehlen der gewohnten abendlichen Geräuschkulisse machte Lennart bewusst, wie bedeutsam es immer für ihn gewesen war, jemanden im Haus zu haben. Es hatte etwas Tröstliches, mit anderen Menschen unter einem Dach zu leben, ein Umstand, den er bisher in dieser Form nicht wirklich zur Kenntnis genommen hatte.
    Er rieb sich die Stirn, um den rasenden Schmerz zu vertreiben, der sich seit dem frühen Abend dort eingenistet hatte, und er versuchte auch zu ignorieren, dass er seit Stunden nur noch verschwommen sah. Er sagte sich, dass sein Entschluss, die Werft zu verkaufen, das einzig Richtige gewesen war. Es wäre verantwortungslos, Linda die Leitung zu übergeben. Was würde mit dem Betrieb passieren, wenn es ihr einfiel, wieder alles hinzuschmeißen? Nein, dieses Risiko konnte er unmöglich eingehen, davon hingen zu viele Schicksale ab. Er war für seine Arbeiter verantwortlich und dementsprechend auch dafür, dass der Laden reibungslos weiterlief. Ekelund würde sich um alles kümmern, vielleicht nicht ganz so gut wie er selbst, aber doch gut genug, um den sicheren Fortbestand der Firma zu gewährleisten. Eine junge Frau, die sprunghaft immer gerade das tat, was ihr in den Sinn kam, würde womöglich alles aufs Spiel setzen, wofür sich vor ihr Generationen den Buckel krumm geschuftet hatten.
    Und doch... Es war so bitter gewesen, sie weinen zu sehen, er hatte seitdem das Gefühl, wie ein Tier in der Falle zu sitzen. Schwerfällig wandte er sich vom Fenster ab und ließ sich in einen Stuhl fallen. Wenn er nur nicht so entsetzlich müde und schwach wäre!
    Unbewusst fuhr er sich abermals über die Stirn, doch es wurde nur schlimmer statt besser. Wo, zum Teufel blieb Greta? Sie hatte versprochen, noch vorbeizuschauen, er hatte eigens die Haustür für sie offen gelassen.
    Er hatte kaum an sie gedacht, als er auch schon ihre leichten Schritte hörte. » Hej .« Sie kam zu ihm und nahm seine Hand. »Wie geht es dir?«
    »Ist dir schwindlig? Hast du irgendwo Schmerzen?«
    »Nein«, log er. Er zögerte, dann setzte er stockend hinzu: »Das Haus... Es war plötzlich so groß... und so leer. Vielleicht wollte ich einfach nur nicht allein sein.«
    Greta fühlte seinen Puls, dann schob sie den Ärmel seines Hemdes zurück und desinfizierte mit einem alkoholgetränkten Tupfer seine Ellbogenbeuge. »Warum nimmst du nicht einfach Lindas Hilfe an?« Ihre Stimme war sanft, aber Lennart glaubte, einen unnachgiebigen Unterton darin zu hören. Sie streifte ihm den Stauschlauch über und zog eine Spritze auf. »Ich verspreche dir, dass es dir besser gehen wird, wenn du dich endlich mit ihr versöhnst«, schloss sie, während sie mit dem Finger über die Armvene tastete.
    »Und wenn sie dann aus einer Laune heraus wieder wegläuft?« Lennart zuckte leicht zusammen, als er den Einstich der Nadel spürte. »Es würde mich umbringen. Sie hat mich damit schon einmal fast ins Grab gebracht.«
    Greta legte das Spritzbesteck weg und schüttelte ungeduldig den Kopf. »Es war nicht ihre Schuld, dass du damals krank wurdest!«
    »Sie lief weg, und ich bekam einen Schlaganfall«, widersprach er eigensinnig. »Wieso sollte es nicht ihre Schuld gewesen sein?« Er rollte mit einer brüsken Bewegung den Ärmel herunter. »Ich kann ihr nicht mehr vertrauen. Das Risiko ist einfach zu hoch.«
    Greta wirkte ein wenig verärgert, und Lennart hatte das Bedürfnis, auf irgendeine Weise einzulenken. Der Gedanke, sie könne böse auf ihn werden, war ihm plötzlich unerträglich. Er machte sich nicht viel daraus, was die Leute über ihn dachten, aber was Greta anging, so war das ganz anders. Überrascht erkannte er mit einem Mal, wie wichtig es ihm war, dass sie eine gute Meinung von ihm hatte.
    Er schluckte angestrengt, um

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