Sehnsuchtsland
nicht aufpasste, würde das Holz anfangen zu faulen.
»Dafür weiß ich es«, sagte Greta. »Es ist ganz einfach: Du liebst ihn noch.«
»Ich werde heiraten!« Linda sagte es in einem Ton, als müsse sie sich selbst diesen erstaunlichen Umstand wieder ins Gedächtnis rufen. »Nils liebt mich, und ich liebe ihn. Ich kann Henrik gar nicht lieben!«
»Aber dir wackeln die Knie«, sagte Greta trocken.
Linda starrte auf die Planken unter ihren Füßen. »Ich hatte alles aufgegeben, nur, weil ich es nicht ausgehalten habe, Henrik mit Gunilla zu sehen.«
Als Greta nichts erwiderte, fuhr sie zögernd fort: »Ich glaube, ich habe ihn schon vom ersten Augenblick an geliebt. Er kam in die Werft, und ich war an dem Tag völlig aufgelöst, weil wir eine Yacht übergeben sollten und die Sitzpolster nicht pünktlich geliefert wurden. Er stand vor mir... und ich habe in seine Augen gesehen, das war’s dann...« Sie lächelte bitter. »Und dann hat ihn sich meine Schwester gegriffen.«
Greta schwieg weiterhin, jedoch auf eine freundschaftliche, aufmunternde Art. Auch Linda schwieg, um sich zu sammeln und ihre Gedanken zu ordnen.
»Ich musste es tun, weil ich es nicht ertragen konnte«, sagte sie schließlich langsam. »Das, was mir am liebsten war, nämlich meine Arbeit in der Werft, habe ich einfach aus meinem Leben geschnitten. Wegen Henrik. Aber das Schlimmste ist, dass ich Papa so schrecklich enttäuscht habe!«
»Ja. Das war sehr schwer für ihn.«
Zu ihrer eigenen Bestürzung merkte Linda, dass ihr die Tränen kamen. »Ich war so sicher, dass ich es überwunden habe! Ich dachte, ich kann es aushalten, Henrik und Gunilla zusammen zu sehen! Ich glaubte, es würde mir nichts mehr ausmachen! Wenn ich nicht davon überzeugt gewesen wäre — ich wäre doch niemals nach Hause gekommen, um mich mit Papa auszusöhnen!«
»Und jetzt?« Greta hielt sie am Arm fest und zog sie auf eine Bank.
»Jetzt ist es schlimmer als vorher.« Linda starrte auf das dunkle Wasser unterhalb der Mole. »Ich liebe ihn.«
»Er ist frei«, erwiderte Greta gelassen.
»Aber ich nicht! Ich werde Nils heiraten! Der Hochzeitstermin ist festgelegt, die Gästeliste steht. Der Bischof von Stockholm wird uns trauen! Ich kann doch nicht plötzlich alles über den Haufen werfen — meine ganzen Lebenspläne!«
»Wieso nicht? Du hast es doch schon einmal getan!«
Linda schüttelte den Kopf. Dann kam ihr ein Gedanke, den sie bis jetzt die ganze Zeit von sich weggeschoben hatte. »Wie krank ist Papa wirklich?«
»Frag ihn selbst. Geh hin zu ihm.« Greta hatte es mit großer Bestimmtheit gesagt, und Linda nahm instinktiv die Besorgnis hinter ihren Worten wahr. Aufmerksam schaute sie der Älteren in die Augen, dann nickte sie langsam. Er war ihr Vater, und sie schuldete es ihm. Sie würde es noch einmal versuchen.
*
Linda bremste ruckartig, als sie Olav an Deck des Bootes erkannte, das in einer Reihe mit den anderen Schiffen am Kai der Werft lag. Eilig stieg sie aus und lief um den Wagen herum. »Olav!«
Der Schiffszimmermann schaute auf, und als er Linda sah, breitete sich ein Strahlen auf seinem Gesicht aus. Ausgehend von seinen Augenwinkeln, bildeten sich unzählige Knitterfalten auf seinen Wangen, als er sie breit anlächelte. »Linda, bist du das wirklich?«
Er löste die Leinen, mit denen er sich für die Arbeiten in der Takelage und am Mast gesichert hatte, und nachdem er das Geschirr abgestreift hatte, stieg er eilig von Bord.
»Wie geht es dir?«, wollte Linda wissen.
Olavs Gesicht verdüsterte sich. »Nicht so gut, seit ich weiß, dass dein Vater die Werft verkaufen will.« Er schüttelte den Kopf. »Das ist doch nicht richtig, einfach alles in fremde Hände zu geben!« Er runzelte die Stirn, dann beäugte er Linda mit hoffnungsvollen Blicken. »Aber jetzt bist du ja wieder da! Du wirst es ihm schon ausreden!«
Linda lächelte ein wenig unbehaglich. »Ich weiß nicht. Ich kann nur hoffen, dass er mir zuhört.«
Olav fasste sie beim Arm, und gemeinsam gingen sie den Kai entlang in Richtung Halleneingang. »Du gehörst hierher, Mädchen. Ich weiß noch genau, wie du früher immer zwischen den Booten herumgekrochen bist, als kleine Göre.« Er hielt die Hand in Hüfthöhe. »So groß warst du damals erst, und ständig hast du mir Löcher in den Bauch gefragt!«
Linda lachte zustimmend. »Deine Boote waren immer die schönsten. Das Holz hat viel besser gerochen als der Kunststoff!« Neugierig ließ sie ihre Blicke an der Reihe der neuen
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