Sehnsuchtsland
natürlich.« An Magnus gewandt, fügte sie hinzu: »Sie können die Rosen einfach in den Laden bringen. Danke.«
Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und marschierte davon. Magnus starrte ihr verdattert nach. »Moment mal, Frau Frödin!«, rief er. »Ich bringe Sie doch wieder nach Hause!«
Sie hob nur die Hand, eine Geste, die ihm gebot, sie endlich in Ruhe zu lassen. Ohne sich auch nur umzudrehen, ging sie weiter und verschwand eilig um die nächste Ecke.
Ratlos suchte Magnus Björns Blick. »Ich verstehe diese Frau nicht. Was hat sie nur?«
Björns Gesichtsausdruck war nicht zu deuten. »Ich habe es Ihnen doch gesagt, es ist eine schwierige Geschichte. Wir haben schon vor langer Zeit aufgehört, darüber zu reden.«
Magnus ersparte es sich, weitere Fragen zu stellen, denn es war nur zu deutlich, dass Björn keine Lust hatte, das Thema zu vertiefen.
Achselzuckend wandte er sich ab und brachte die Rosen in den Laden.
*
Lena schlenderte an der aus ungefügen Felsbrocken errichteten Mauer vorbei, die das Gästehäuschen zum Weg hin abschirmte. Sie hatte gehofft, Magnus dort anzutreffen, aber sein Wagen war nicht da.
Sie wusste, dass seit gestern in ihrem Leben eine entscheidende Wende eingetreten war. Nicht nur, weil sie die erstaunlichste erotische Erfahrung ihres ganzen bisherigen Lebens gemacht hatte, sondern weil sie zum ersten Mal seit all den Jahren das Gefühl hatte, vielleicht irgendwo angekommen zu sein. Gestern hatten sie und Magnus es nicht zum Äußersten kommen lassen. Sie hatten in dem Boot gelegen und herumgeknutscht wie die Teenager, doch da sie damit rechnen mussten, dass Johan Stenmark noch in der Nähe war, hatten sie es dabei belassen. Später im Bootshaus ihres Vaters hatten sie sich abermals umarmt und sich geküsst, bis Lena geglaubt hatte, ohnmächtig zu werden. Doch auch daraus hatten sich keine intimeren Zärtlichkeiten entwickelt, weil einer der Stallknechte aufgetaucht war, um einen Eimer Salz aus dem Bootshaus zu holen. Danach war es dann mehr oder weniger vorbei gewesen mit ihrer Leidenschaft, weil Lena es plötzlich mit der Angst zu tun bekommen hatte. Angst vor dem, was passieren könnte, wenn sie sich zu sehr auf diesen Mann einließ. Dass dies längst geschehen war, hatte sie sich nicht klar machen wollen.
Immerhin hatte ihre Schwester sie davor bewahrt, ein weiteres Mal wegzulaufen. Vor sich selbst, vor der Vergangenheit — und auch vor Magnus.
Ja, sie hatte sich in ihn verliebt, welchen Sinn hatte es, das abstreiten zu wollen? Wem wollte sie länger etwas vormachen? Ihr Herz schlug ja bereits schneller, wenn sie nur an ihn dachte, und sie war in diesem Augenblick mehr als enttäuscht, weil er nicht da war. Einen bangen Moment lang fragte sie sich, ob er womöglich abgereist war, ohne sich von ihr zu verabschieden.
Doch im nächsten Moment kam sein Wagen um die Kurve hinter der Koppel, und Lena spürte, wie sich ihr Gesicht zu einem breiten Grinsen verzog. Er war wieder da!
Als er neben ihr anhielt, beugte sie sich zu ihm hinunter und stützte die Ellbogen im offenen Fenster auf der Fahrerseite ab. Sie lächelte ihn an, schmerzlich aufgeregt und voller Vorfreude.
» Hej .« Es kam ein wenig atemlos heraus. Plötzlich war sie auf unerklärliche Weise schüchtern. »Eigentlich wollte ich schon weg sein.« Sie hielt eine hübsche violettblaue Wildblume zwischen den Fingern und drehte sie hin und her. Magnus versuchte, sich zu erinnern, wie die Sorte genau hieß, entweder Wiesenschaumkraut oder Wiesenguldenblume, er hatte das schon als Kind immer verwechselt. Dann entschied er, dass es keine Rolle spielte. Wichtig war nur, dass der Farbton der Blume genau das lavendelfarbene Blau ihrer Iris widerspiegelte. Er war davon überzeugt, dass sie vorhatte, gleich nach Stockholm zurückzufahren, und sich jetzt von ihm verabschieden wollte. Er wappnete sich und blickte sie gefasst an, ohne verhindern zu können, dass sich sein Inneres bei ihrem Anblick vor Sehnsucht zusammenzog.
»Ich habe meinen Urlaub verlängert.«
Zuerst glaubte er, sie nicht richtig verstanden zu haben. Sie sah ihn an, unsicher, ein bisschen ängstlich, und mit einem Mal fühlte Magnus sich von einer so maßlosen Erleichterung durchströmt, dass er sich schon beinahe lächerlich vorkam. Am liebsten hätte er einen Freudenschrei ausgestoßen.
Stattdessen beschränkte er sich darauf, sie anzustrahlen. »Ich hatte deinem Vater versprochen, das Loch im Zaun an der Südweide zu reparieren«, sagte er,
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