Sehnsuchtsland
jetzt wusste sie schon wieder nicht mehr, was sie wirklich wollte.
Ihr Vater klopfte an die offen stehende Tür und kam ins Zimmer.
»Entschuldige, Lena. Hast du Magnus gesehen? Ich könnte seine Hilfe brauchen.«
»Er ist zur Südweide gefahren, den Zaun reparieren. Er müsste aber bald wieder da sein.«
Björn musterte sie sinnend. »Er tut dir gut, oder? Du siehst so entspannt aus.«
Sie zuckte leicht verlegen die Achseln. »Es geht mir ja auch gut.«
»Aber?«
Lena glitt von der Fensterbank und blieb vor ihm stehen. Ratlos blickte sie zu ihm auf. »Eigentlich wollte ich nichts Ernstes.«
Björn lächelte. »Und, ist es schon zu spät?«
»Es ist noch nie gut gegangen.«
Ihre Mutlosigkeit versetzte ihm einen Stich. Behutsam legte er den Arm um ihre Schultern und zog sie näher. »Ach, Engelchen«, murmelte er. »Es ist einmal nicht gut gegangen. Ein einziges Mal, und das ist zehn Jahre her! Danach hast du es doch gar nicht mehr versucht, oder?« Er drückte sie an sich. »Jetzt nimmst du mal deinen ganzen Mut zusammen. Lass dich einfach fallen! Du wirst sehen, es passiert dir schon nichts!«
Lena spürte, wie verzweifelt sie ihm glauben wollte, doch sie hatte keine Ahnung, wie sie das anstellen sollte. »Warum bist du da so sicher?«, fragte sie hilflos.
»Weil du es verdient hast«, sagte er ruhig. Er küsste sie sanft auf die Stirn. »Du hast es verdient, wieder richtig glücklich zu sein.«
*
Lena flog förmlich über die Wiese hinüber zum Gästehaus. Sie war von überschäumender Freude erfüllt. Ihr Vater hatte Recht! Wieso hatte sie selbst nur die ganze Zeit nicht wahrhaben wollen, was doch jedem einleuchten musste? Wem nützte es denn, wenn sie weiter vor jeder Möglichkeit zum Glücklichsein davonrannte? Die Erkenntnis war nicht einfach gewesen, auf dem Weg dorthin hatten sich unzählige Hindernisse aufgetürmt, die sie selbst errichtet hatte. Zwei Schritte vor und einen zurück, so kam es ihr im Nachhinein vor. Doch jetzt sah sie endlich klar! Irgendein gnädiges Schicksal hatte gewollt, dass sie Magnus traf und sich in ihn verliebte, und sie hatte nicht das Recht, dieses Geschenk einfach wegzuwerfen. Sie wollte ihn, diesen großen, fröhlichen Fremden mit den strahlenden Augen und dem unwiderstehlichen Lachen. Seine Ehe war am Ende, nichts stand zwischen ihnen. Er war ihre Chance, sich selbst und das Leben wieder zu finden. Sie wollte ihm nah sein, in seinen Armen liegen und seinen Herzschlag spüren. Und was sie an ihm noch nicht kannte, wollte sie kennen lernen.
Aufgeregt stieß sie die Tür des kleinen Holzhauses auf. »Magnus?«, fragte sie außer Atem. »Wollen wir heute Abend vielleicht tanzen...«
Die Frage erstarb ihr auf den Lippen. Er war gar nicht hier, obwohl sein Wagen draußen stand.
Zögernd trat sie näher und betrachtete die Papiere und Unterlagen, die ausgebreitet auf dem Tisch lagen. Pläne, Zeichnungen, Kalkulationen, Fotos. Sie las die Worte Abriss und Ferienresidenz und fühlte sich dabei, als hätte sie einen Boxhieb in den Magen bekommen.
*
Magnus saß zusammen mit den Mitgliedern der Familie Lagerberg an dem großen Tisch auf der Terrasse. Er hatte voller Freude nicht nur Björns Angebot angenommen, ihn zu duzen, sondern auch die Einladung zum Essen. Er konnte nicht erwarten, Lena endlich wiederzusehen. Egal wie er es anstellte — er würde es schon noch schaffen, die Distanz zwischen ihnen beiden abzubauen. Sie war es wert, in jeder nur denkbaren Weise.
Ingrid brachte eine Terrine aus dem Haus und stellte sie schwungvoll auf den Tisch. »Unsere Familien-Fischsuppe 5 «, verkündete sie stolz.
Magnus sog genießerisch den Duft ein. »Riecht wunderbar!«
Zwanglos begannen sie mit dem Essen. Magnus stellte fest, dass die Suppe tatsächlich so gut schmeckte, wie sie duftete.
»Sag mal, hast du das Loch im Zaun gefunden?«, wollte Björn wissen.
Magnus nickte. »Es war ziemlich groß. Ich habe es erst mal provisorisch geflickt. Du solltest darüber nachdenken, ob du dieses Stück Zaun nicht komplett erneuerst.«
»Sobald Sören zurück ist, werden wir...« Björn verstummte mitten im Satz, denn Lena kam wie eine Furie angestürmt und warf einen Stapel Papiere auf den Tisch.
»Deswegen bist du also hier!«, schleuderte sie Magnus wütend entgegen. »Du willst Marielund abreißen und eine Riesen-Wohnanlage da hinbauen! Fünfundvierzig Einheiten!« Empört setzte sie hinzu: »Warum hast du mich angelogen?«
Magnus hatte den Eindruck, von einer Dampflok
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