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Sehnsuchtsland

Sehnsuchtsland

Titel: Sehnsuchtsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inga Lindström
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sauer. »Das rechnet sich doch niemals! Wir kommen nur auf unsere Kosten, wenn wir mindestens drei Dutzend Apartmentanlagen einkalkulieren können. Nein, Magnus, entweder Neubau oder wir lassen die Finger von der Sache. Sieh bitte zu, dass du mir so schnell wie möglich einen Entwurf und vor allem eine Kalkulation schickst!«
    Magnus stand auf und ging ein paar Schritte vom Gästehaus weg. Inzwischen war es noch ein wenig dunkler geworden, wenn auch nicht viel. Rötliche Streifen zogen sich über den Himmel und tauchten die Nacht in Flammen. Es war ein wundervolles, farbenprächtiges Bild, doch Magnus hatte kaum einen Blick dafür. Er starrte hinüber zur Wiese unweit des Haupthauses, wo er soeben die Person ausgemacht hatte, derentwegen er seit Tagen kaum noch einen klaren Gedanken fassen konnte.
    »Ich brauche auf jeden Fall noch ein paar Tage«, sagte Magnus geistesabwesend zu Claes.
    »Bis zum Ende der Woche. Mehr Zeit hast du nicht.«
    Claes hörte sich ziemlich erbittert an, doch Magnus nahm es kaum zur Kenntnis. »Ich muss Schluss machen, ich habe noch Arbeit.« Er überhörte das empörte Schnaufen seines Partners und trennte kurzerhand die Verbindung. Gebannt schaute er die Frau an, die nur fünfzig Meter von ihm entfernt war und sich doch ebenso gut in einem anderen Universum hätte befinden können.
    Lena war stehen geblieben und starrte in die Feme. Unter dem rötlichen Licht des nächtlichen Himmels war ihre Silhouette wie in Gold getaucht. Irgendwo schlug eine Nachtigall, lockend und traurig zugleich, die melodische Verheißung von Gefühlen, die bis zum Anbruch des Tages längst Vergangenheit waren.

    *

    Auch Elinor Frödin hörte die Nachtigall, doch für sie war es in diesem Moment ein beliebiges Hintergrundgeräusch, das durch das offene Fenster hereindrang. Der Gesang der Nachtigall fand nur dann den Weg in ihre Wahrnehmung, wenn sie auf dem Friedhof war. Stefan war bei Nacht gestorben, und die Nachtigall hatte seinen Tod beweint. Wenn Elinor auf dem Friedhof war, hörte sie der Nachtigall zu, sonst nicht.
    Von Bedeutung war im Augenblick nur das aufgeklappte Journal vor ihr auf dem Schreibtisch. Sie fand nicht immer Zeit, etwas hineinzuschreiben, aber gelegentlich war sie doch in der Stimmung, ihre Gefühle und Gedanken niederzulegen. In den letzten Tagen war es öfter vorgekommen, dass sie das Bedürfnis verspürt hatte, wieder Tagebuch zu führen. Seit Lena Lagerbergs Ankunft gab es bereits drei neue Einträge, ebenso viele wie in den ganzen letzten sechs Monaten zuvor. Es war wie ein Zwang, zu dokumentieren, wie sehr dieses unerwartete Auftauchen sie beunruhigte und wie wichtig es war, dass schnellstmöglich wieder normale Verhältnisse einkehrten.
    Elinor hatte Mühe, leserlich zu schreiben, immer wieder gerieten ihre Gedanken in Aufruhr, sodass ihre Hand anfing zu zittern. An einer Stelle verschmierte die Tinte so stark, dass sie selbst Mühe hatte, ihre Schrift zu entziffern. Auf der Suche nach einem Löschstift stand sie auf und zog die Schublade einer kleinen Kommode auf, und als diese klemmte, riss sie ärgerlich daran. Die Schublade krachte aus der Verankerung und fiel ihr vor die Füße. Mit einem gemurmelten Laut des Unmuts bückte Elinor sich, um sie aufzuheben. Der gesuchte Löschstift war nicht in der Schublade. Stattdessen quoll sie über vor alten Fotos, die zum Teil herausgerutscht waren und jetzt vor Elinors Füßen ausgebreitet auf dem Boden lagen.
    Zögernd streckte sie die Hand aus und hob eines der Bilder auf. Langsam ging sie damit zum Schreibtisch zurück, wo sie es im Licht der Stehlampe betrachtete. Stefan war auf dem Foto zu sehen, zusammen mit Lena. Beide waren sie herzzerreißend jung und schön, die blonden Schöpfe gegeneinander gelegt, die Gesichter offen und glücklich und leuchtend vor Liebe.
    Elinor spürte, wie in ihrem Inneren etwas aufbrechen wollte, doch sie unterdrückte gewaltsam jeden gefühlsseligen Impuls. Stattdessen tat sie das, was seit damals unumgänglich war: das Gute vom Schlechten trennen. Mit einer raschen, entschlossenen Bewegung riss sie das Foto mitten durch, exakt zwischen Lena und ihrem Sohn. Nichts verband die beiden. Nichts außer Tod. Achtlos warf sie den Teil des Bildes, der Lena zeigte, auf den Schreibtisch.
    Die Hälfte, auf der ihr Sohn zu sehen war, behielt sie in der Hand und schaute sie lange an. Und dann hörte sie auf einmal doch den Gesang der Nachtigall.

    *

    Als Magnus am nächsten Tag mit dem Wagen vor dem Herrenhaus von

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