Sehnsuchtsland
weil sie überhaupt nicht nach Hause gekommen war. Das war jedoch bereits zu der Zeit gewesen, als sie schon mit Stefan gegangen war. Die beiden hatten damals andere Dinge im Kopf gehabt, als pünktlich heimzukommen.
Björns Gedanken verdüsterten sich bei der Erinnerung. Angeblich heilte doch die Zeit alle Wunden. Aber offenbar galt diese Lebensregel nicht für alle Menschen. Elinor Frödin war einer davon. Und seine Tochter ebenfalls.
Er beschattete mit der Hand die Augen, während er Emma nachblickte, bis sie hinter den Weiden am See verschwunden war. Sorgenvoll fragte er sich, warum er mit einem Mal diese Beklemmung spürte, wie von einem heraufziehenden Unheil.
*
Magnus und Lena saßen dicht beim Wasser, die Arme umeinander gelegt. Um sie herum zwitscherten Vögel, und ein leichter Wind brachte das hoch wachsende Schilf am Ufer zum Rascheln.
Lena starrte auf den See hinaus, sie wusste nicht, was sie denken sollte. Das, was sie vorhin erlebt hatte, erschien ihr immer noch wie ein Traum. Ein Traum aus verstörenden, hitzigen Bildern voller Hingabe und alles verschlingender Begierde.
Magnus hatte sein Gesicht in ihren Haaren vergraben. »Alles okay?«, murmelte er gegen ihren Hals.
Lena nickte und lehnte sich fester gegen ihn. Sie war süchtig nach seiner Wärme und Nähe.
»Irgendwie ist es komisch«, sagte Magnus.
»Was?«
»Gerade ist meine Beziehung kaputtgegangen, weil Britta dauernd unterwegs ist. Und jetzt verliebe ich mich in eine Stewardess.«
Lena versteifte sich ein wenig. »Was willst du damit sagen?«
Magnus hob den Kopf und lachte leicht verlegen. »Na ja, ich frage mich gerade, wie wohl unsere Zukunft aussehen wird.«
Lena wusste nicht, woher plötzlich diese Kälte kam, die sich in ihr auszubreiten begann. Eben war noch alles so schön gewesen, so perfekt. Und auf einmal hatte sie wieder das Gefühl, in einem Kerker zu stecken.
»Unsere Zukunft?« Sie löste sich von ihm und rückte ein Stück zur Seite. »Magnus, wir kennen uns doch kaum!«
Er glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Soeben hatten sie beide eine der für ihn bemerkenswertesten sexuellen Erfahrungen seines Lebens geteilt, und sie saß hier und behauptete, sie würden sich nicht richtig kennen. Kaum glaubte er, ihr endlich richtig nahe zu sein, verschwand sie wieder hinter dieser blöden Mauer! Er hätte sie am liebsten geschüttelt. Stattdessen riss er sich zusammen und verlegte sich aufs Argumentieren. »Gut, wir kennen uns erst kurze Zeit. Aber was bedeutet das denn konkret? Dass es nicht weitergeht mit uns?« Er schaute ihr eindringlich in die Augen. »Willst du denn nicht, dass es weitergeht mit uns?«
Lena stützte hinter ihrem Rücken die Hände auf und lehnte sich ein wenig zurück. Sie wich seinen Blicken aus. »Doch, natürlich«, behauptete sie. »Ich bin ja öfter in Stockholm. Einmal im Monat auf jeden Fall.«
Das brachte ihn in Rage, und er hatte Mühe, ruhig weiter zu sprechen. »Ich will dich nicht nur einmal im Monat oder hin und wieder sehen.« Er hielt inne, dann beugte er den Kopf vor und legte seine Stirn gegen die ihre. »Kannst du dir wirklich nichts anderes vorstellen?«, fragte er flüsternd.
»Habe ich dir nicht gesagt, dass ich der geborene Single bin?«
»Kein Mensch ist der geborene Single. So was behaupten nur Leute von sich, die egoistisch sind.«
»Wahrscheinlich bin ich das auch.«
»Unsinn. Jeder Mensch sehnt sich doch nach einem Partner.« Bittend setzte er hinzu: »Du musst es einfach nur zulassen.«
Lena schluckte und starrte schweigend hinaus aufs Wasser.
Magnus sprach weiter, so leise, dass seine Stimme fast vom Rauschen der Bäume in ihrem Rücken übertönt wurde. Doch Lena verstand jedes einzelne Wort.
»Ich möchte dich nicht drängen. Aber du musst uns eine Chance geben.«
»Ich kann nichts versprechen«, sagte Lena.
Magnus legte seine Hand auf ihren nackten Oberarm, fest und besitzergreifend . »Dafür verspreche ich dir jetzt etwas. Denk drüber nach, wenn du willst. Und egal, wie du dich entscheidest: Ich werde da sein.«
*
Lena saß mit angezogenen Beinen auf der Fensterbank und schaute durch das weit offene Fenster hinaus. Der Wind spielte draußen in den Bäumen und fächelte sanft über ihr Gesicht, doch sie konnte die herrliche Sommerbrise nicht wirklich genießen. Der Kopf tat ihr weh vom vielen Nachdenken. Heute Morgen war sie noch so entschlossen gewesen, ganz neu anzufangen. Es einfach zu wagen, sich auf einen Menschen ganz und gar einzulassen. Und
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