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Sehnsuchtsland

Sehnsuchtsland

Titel: Sehnsuchtsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inga Lindström
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Haare hochgesteckt und trug eine schmale, klassisch geschnittene Hose zu ihrer hochgeschlossenen eleganten Bluse, ganz die dezent gekleidete Businessfrau.
    Ingrid blieb neben dem Wagen stehen. »Es ist falsch, und das weißt du!«
    »He, ich bin hier hintergangen worden! Er hat mir was vorgemacht! Da wirst du doch wohl verstehen, dass ich weg muss!«
    »Nein, das verstehe ich nicht! Ich verstehe nicht, wie man bei der ersten Schwierigkeit gleich aufgeben kann!«
    Lena ließ sich auf keine Diskussionen ein. Geflissentlich übersah sie Ingrids vorwurfsvolle Blicke und wandte sich ab, um in den Wagen zu steigen. Sie würde das Verdeck schließen müssen, denn der Himmel hatte sich inzwischen zugezogen, passend zu ihrer Stimmung. Es sah nach Regen aus.
    Dann sah sie Magnus quer über den Hof herankommen und verkrampfte sich. Du lieber Himmel, nicht das noch! Sie dachte gar nicht daran, sich von ihm zu verabschieden oder überhaupt noch ein Wort mit ihm zu wechseln!
    Doch dann sah sie, dass er eher rannte als ging. Er war ganz offensichtlich in heller Aufregung. Und zwar nicht ihretwegen, wie sich bei seinen nächsten Worten herausstellte.
    »Habt ihr Emma gesehen?«, stieß er außer Atem hervor. »Sie müsste doch längst von ihrem Ausritt zurück sein!«
    »Vielleicht ist sie im Stall«, mutmaßte Ingrid.
    »Da ist sie nicht«, sagte er verstört. »Verdammt, ich hätte sie nicht allein ausreiten lassen dürfen!«
    »Beruhige dich«, sagte Ingrid. » Svala ist ein gutes Pferd. Bestimmt ist sie bald wieder zurück.«
    Sie hatte die Worte kaum ausgesprochen, als Svala mit hängenden Zügeln und leerem Sattel um die Ecke des Hauses in den Hof getrottet kam. Von Emma war weit und breit nichts zu sehen. Magnus erstarrte in absoluter Reglosigkeit.
    »Okay, ich weiß, was wir machen«, rief Ingrid eilig. »Ich sage Papa Bescheid.« Sie lief ins Haus und schrie über die Schulter zurück: »Wir finden sie, Magnus! Hier ist noch kein Mensch verloren gegangen!«
    »Ich gehe sie suchen«, erklärte Magnus, schon im Losrennen begriffen.
    »Warte!«, rief Lena ihm nach. »Ich komme mit!«
    Atemlos lief sie ihm nach, Seite an Seite streiften sie hektisch durch den Wald und riefen immer wieder nach Emma.
    »Wo kann sie sein?« Magnus war vollkommen außer sich. Bei der Vorstellung, dass ihr etwas passiert sein könnte, drehte sich ihm der Magen um. »Wenn sie bewusstlos ist... Sie kann doch gar nicht...«
    »Ingrid hat bestimmt schon jede Menge Leute zusammengetrommelt, die überall nach ihr suchen«, sagte Lena mit mehr Zuversicht, als sie tatsächlich empfand.
    »Ich suche da drüben weiter.« Magnus brachte es nicht fertig, länger als ein paar Sekunden irgendwo stehen zu bleiben. Er bahnte sich einen Weg durch das dichte Gehölz. »Emma!«, brüllte er.
    Plötzlich glaubte er, etwas gehört zu haben. Er hielt inne und lauschte. Ja, da war etwas. Eine Stimme. Emmas Stimme!
    »Papa!« Es klang schwach.
    Magnus stürzte vorwärts, dicht gefolgt von Lena, die es ebenfalls gehört hatte.
    Emma lag unter einem Baum, das Gesicht schmerzerfüllt verzogen, die Hand gegen ihren Knöchel gepresst.
    »Da bist du ja«, keuchte Magnus. Er sank neben seiner Tochter in die Knie und zog sie heftig in seine Arme. Das letzte Mal hatte er sich vermutlich während ihrer Geburt so über sie aufgeregt. Seine Erleichterung, sie halbwegs wohlauf hier wieder zu finden, war mit seinen Empfindungen zu vergleichen, die er damals gehabt hatte, als sie endlich nach zwanzig Stunden Wehen auf die Welt gekommen war. Er presste seine Nase gegen ihr Haar und schwor sich, sie nie wieder auch nur in die Nähe eines Pferdes zu lassen.
    Emma gab einen leisen Jammerlaut von sich. Magnus ließ sie wohl oder übel los und schaute sie sich genauer an, diesmal halbwegs gefasst. »Dein Bein, oder?«
    Sie nickte. Ihr Gesicht war bleich. Offensichtlich hatte sie ziemliche Schmerzen.
    Lena war neben ihnen in die Hocke gegangen. »He, du machst ja Sachen!«
    Emma nickte. »Es war alles ganz normal«, sagte sie in dem kläglichen Versuch, tapfer zu sein. »Ich war mit Svala am anderen Seeufer.« Sie bewegte sich ein wenig und zuckte zusammen. »Autsch!«
    »Hast du schon versucht, aufzustehen?«, wollte Lena wissen.
    Emma schüttelte den Kopf. »Es geht nicht. Tut irre weh!«
    »Ist wahrscheinlich gebrochen.« Magnus wunderte sich selbst, wie sachlich er auf einmal reagieren konnte. Sie war da, und sie war in Ordnung, oder jedenfalls beinahe. Wenn es nur ihr Bein war — das

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