Sehnsüchtig (German Edition)
Er blickt sich im Schlafzimmer um, der einzige Raum in Alys’ Wohnung, der ihm neu ist. Sie hat einen ähnlichen Geschmack wie er... oder wie Irina und ich . Er beisst sich auf die Unterlippe bis es weh tut. Eine Mischung aus Brockenhaus und Ikea. Einerseits klare Linien, schnörkellos, wie das Bett und der weisse Spiegelschrank. Dann wieder ein Sekretär aus dunklem Holz, vielleicht aus dem Brockenhaus, oder ein Familienerbstück. Ein schönes Stück mit ein paar Schrammen und viel altmodischem Charme. Ihr Geschmack hat definitiv einen romantisch-mädchenhaften Touch, sei es die mit Perlenschnüren verzierte Lampe an der Decke oder das Bild, das die ganze Wand hinter ihnen einnimmt. Eine Elfe lehnt an einem kunstvoll verschlungenen Baum, blickt unter schweren Lidern in den Raum. Ihr Haar fällt in Wellen bis zu den nackten Füssen, das fremdartige Gesicht erinnert Eliot an Marlen. Es ist schönes Bild, in zarten schwarzen Pinselstrichen auf die Wand gezaubert. Eliot erkennt den Stil wieder. Der gleiche Stil wie ihr Tattoo. Der gleiche Stil wie ihre Arbeiten. Sie muss manche Stunde daran gearbeitet habe.
Ihr Bett ist weicher und schmaler als er es sich gewohnt ist. Trotzdem hat er tief geschlafen. Er ist nicht ein einziges Mal aufgewacht. Nicht, wie all die Nächte zuvor, in denen die Gedanken ununterbrochen in seinem Kopf umhergeisterten und er mit brennenden Augen in die Dunkelheit starrte und sich selbst verfluchte. Oder die Nächte, in denen er eine Tablette nehmen musste, um endlich, endlich Schlaf zu finden. Er hört Irinas Stimme in seinem Kopf. „Ich habe deine Tabletten gefunden. Ich weiss, dass du ohne kaum mehr schläfst ...“ Er schliesst die Augen wieder, wartet, bis ihre Stimme verstummt und die Panik weiter abnimmt.
Alys seufzt im Schlaf und rutscht dichter an ihn heran. Als suche sie etwas Wärme. Zwischen Ihnen nur wenig Stoff. Sein verräterischer Körper reagiert darauf. Ein Instinkt, so alt wie die Menschheit. Eliot verflucht sich selbst und rückt ein wenig von ihr ab, damit sie es nicht merkt. Er hält es nicht länger in diesem Bett aus. Er geht ins Badezimmer, hängt sich an den Wasserhahn und wäscht sich dann das Gesicht mit kaltem Wasser. Er erblickt den Mann im Spiegel. Kannst du dir selbst noch ins Gesicht sehen? Der Mann im Spiegel sieht geschafft aus. Er nimmt seinen Blick weg. Und jetzt? Er zieht seine Boxershorts aus und steigt in die Dusche. Eigentlich lächerlich , erst vor wenigen Stunden hat er geduscht, aber er fühlt sich verschwitzt und unwohl in seiner Haut. Vielleicht will er sich auch nur von seiner Schuld reinwaschen... Er schüttelt den Kopf ab sich selbst.
Eliot dreht das Wasser heiss auf, lässt den Wasserstrahl seinen Körper erobern und greift mangels Alternative zu Alys’ Duschgel. Öl und Honig. Er schliesst die Augen und seift sich ein. Dann kommen die Bilder und prasseln auf ihn ein. Er war zu wenig betrunken gewesen, um sich nicht erinnern zu können. Und nicht betrunken genug, dass du nicht mehr gewusst hast, was du tust. Er war schon einige Male in ähnlichen Situationen, konnte der Versuchung aber stets wiederstehen. Zum Beispiel an Silvester, das Blondchen von ‚StarCore’. Sie ist schöner als Alys. Nach klassischen Massstäben. Aber er hatte Jennifer Bürli damals nicht gebumst obwohl er es vermutlich gekonnt hätte. Nein, nicht vermutlich. Bestimmt. Er hatte sich nicht einmal von ihr küssen lassen und dabei hatte er damals mehr intus gehabt. Du kannst den Alkohol nicht als Ausrede bringen. Alys hat ihm gestern Nacht keine Avancen gemacht. Es ist alles von ihm aus gekommen. DU hast es getan. DU hast sie geküsst. Auf den Tisch gehoben. Ausgezogen.
Nicht betrunken genug. Sie hat einen Leberfleck dicht unter der linken Brust. Sowieso ist ihr Busen etwas voller als er angenommen hatte. Ihr Mund ist rot geschminkt und sie schmeckt nach Champagner. Sie muss im Ausgang gewesen sein. Mit einem anderen Mann? Den sie für mich hat stehen lassen? Er hört wieder die Geräusche, die sie gemacht hat. Als wäre es gut. Als wäre es gut, was er mit ihr macht. Wie er es macht. Er erinnert sich daran, wie sie ihm ihre Hüften entgegengeschoben hat. Wie sie seinen Rhythmus erwidert hat. Wie sie sich angefühlt hat. An ihm. Um ihn. Der Ausdruck in ihren Augen, als sie gekommen war. Sie ist gekommen. Es kann nicht so schlecht gewesen sein für sie. Obwohl es hektisch war und ein bisschen grob und verzweifelt. Er beisst sich auf die Innenseite der Wange, aber die
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