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Sehnsüchtig (German Edition)

Sehnsüchtig (German Edition)

Titel: Sehnsüchtig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanne Woodtli
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Milch in seine Tasse. Nur einen Schluck. Sie trinken den Kaffee gleich. Am liebsten Livanto, die goldenen Kapseln. Mit wenig Milch, ohne Zucker. Er reicht ihr die Tasse. „Danke“, murmelt sie. Dann schaut Alys auf, ihr Blick verhakt sich mit seinem. Die blauen Augen sind heute nicht ängstlich, aber voller Gefühle. Er kann sie nicht einzeln benennen. Eliot wickelt einen Arm um ihre Schulter und küsst ihre Stirn. Ein wenig Nähe. Ein bisschen Intimität. Aber nicht zuviel. Sie schliesst die Augen und lehnt sich ein wenig in seine Umarmung hinein. Dann seufzt sie, fast unhörbar, macht sich von ihm los und geht mit ihrer Tasse Richtung Wohnzimmer. Er folgt ihr und setzt sich neben sie aufs Sofa. Sie nippen beide an ihrem Kaffee und sagen nichts. Als er ausgetrunken hat, stellt er die Tasse auf den Beistelltisch. „Ich geh mich mal anziehen.“ Alys nickt nur.
    Als er kurz darauf wieder zurückkommt, sitzt sie vor dem iMac und liest ihre Mails. Sie hat ein Bein untergeschlagen, der andere Fuss pendelt hin und her, als wäre sie tief in Gedanken. Ihre Fussnägel sind rot lackiert. Sie hat sich die Brille aufgesetzt, wickelt sich eine dunkle Strähne um den Finger während sie liest. Sie ist schön. Auf diese ungewöhnliche Art. Schön auf den zweiten Blick. Er ist sich ziemlich sicher, dass sie sich dessen nicht bewusst ist. Oder es nicht glaubt, wenn man es ihr sagt. Vielleicht macht genau das den Reiz aus. Sie ist keine der Frauen, die genau wissen, wie sie aussehen und das konsequent und unerbittlich ausnutzen. So wie etwa Jennifer Bürli. Sie ist keine dieser Frauen. Für jene hatte er noch nie viel übrig gehabt.
    Seine Gegenwart scheint ihr bewusst zu werden. Sie dreht sich auf dem Bürostuhl zu ihm um. „Was machst du heute?“
    „Wie meinst du?“
    „Gehst du ins Studio, ins Atelier, nach Hause?“ Bei den letzten zwei Worten klingt ihre Stimme seltsam. Er zieht die Stirn in Falten. Er hat jede Menge Schreibkram zu erledigen, Pendenzen zum Abhaken, nicht zu vergessen, die Suche nach dem neue Keyboarder und weitere Vorbereitungen für die Tour: Etwa Pressetexte fürs Album schreiben oder den Gig für das „Rock’n’Roll Star“ vorbereiten. Der ist schon nächsten Freitag. Bloss noch sechs Tage ... Er fühlt die schwarze Wolke nahen, jene schwarze Wolke, die ihn in den letzten Wochen immer mehr zu vereinnahmen schien, ihn einzuhüllen sucht, bis er nicht mehr klar sieht. Er verweigert sich dem Gedanken. Dann kommt ihm eine Idee . Vor der Wolke davon laufen? Ein Versuch ist es wert. „Ich fahre ein paar Tage weg“, sagt er und bemerkt blanke Überraschung auf Alys’ Gesicht. „Du meinst, zu ...“ Er schüttelt den Kopf bevor sie den Namen aussprechen kann. „Nein. Sie muss in Ruhe nachdenken. Sie will Abstand. Sie kommt erst am Freitag zurück. Und ich muss ein paar Tage raus hier.“ Er hält inne. „Raus aus dieser Stadt“, präzisiert er dann. Sie nickt, als würde sie es verstehen. „Ich möchte, dass du mitkommst“, hört er sich sagen und seinen Worten folgt unerträgliche Stille. Sie wirkt unschlüssig. Dann schüttelt sie entschieden den Kopf. „Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist ...“
    „Warum nicht?“, fordert er sie heraus. Sie zögert. „Ich habe eine Unmenge Arbeit. Die Deadline.“ Ihr Gesicht verrät, dass sie eigentlich etwas anderes sagen wollte, dass die Arbeit ein Vorwand ist. Er lehnt sich gegen die Wand und betrachtet sie eindringlich. „Das habe ich auch. Ich ertrinke in Arbeit. Aber es war alles zu viel in letzter Zeit. Also fuck it. Ich fahre weg. Vielleicht tut es mir gut ...“ Sie legt den Kopf schräg. „Ich denke schon seit langem, dass du das bitter nötig hast.“
    „Eben. Und du kommst mit ...“
    Sie hebt eine Augenbraue, als könne sie nicht glauben, dass er an dieser Idee festhält. Wieder schüttelt sie den Kopf, doch diesmal etwas sanfter. Er fühlt diesen inneren Willen, sich zu überzeugen. Vielleicht ist es auch blosse Sturheit. Sie hatte zuerst auch nicht am Fotoshooting mitwirken wollen und dann hatte er sie doch überredet. Eigentlich war ihm das bis anhin noch jedes Mal geglückt. „Komm mit, Alys“, sagt er mit fester Stimme. Sie reisst die Augen auf. „Bitte“, schiebt er nach. Er lässt seinen Blick auf sie los, jener, der jedes Mal wirkt. Komm schon. Komm einfach mit. „Warum?“, will sie wissen. „Weil ich dann weniger Gefahr laufe, mein Auto gegen die nächste Mauer zu setzen.“ Sie steht auf, der Bürostuhl knarrt

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