Sehnsüchtig (German Edition)
ihm treu ist. Im gleichen Moment bricht sie wieder in Tränen aus. Sie versteckt ihr Gesicht in ihren Händen und weint, weint, obwohl sie es nicht will, nicht vor ihm, nicht jetzt. Dann ist er bei ihr und legt einen Arm um ihre Schulter. „Alys ...“ Ihr Name aus seinem Mund gibt ihr den Rest, sie schluchzt auf und lässt sich an seine Brust fallen. Sie weint sein Hemd nass während er sie enger an sich zieht. Seine Hand streichelt ihren Rücken. „Alys, was hast du?“ Sie kann ihm keine Antwort geben. Seine andere Hand streicht ihr über ihr Haar. Fahrig. Aber immer wieder.
„War es so schlimm?“, will er dann wissen. „Es tut mir Leid ...“ Sie fragt sich, wie oft er das heute noch sagen will. Sie blickt auf, ungläubig, sieht sein Gesicht verschwommen über ihrem. „Du willst wissen, ob es schlimm war?“ Ihre Stimme klingt erstickt. „Wie kommst du darauf? Natürlich war es nicht schlimm. Es war ... es war ...“ Dumm. Falsch. Fahrlässig. Schön. Leidenschaftlich. Dämlich. Was ich mir gewünscht hatte. Sie bringt nichts davon über ihre Lippen. „Es war alles andere als schlimm“, hält sie fest. Aber du willst mich jetzt nicht wirklich fragen, ob es gut war? Das kannst du nicht machen. Das tut er nicht. „Was ist es dann?“
„Ich schäme mich so“, bringt sie hervor. „Ich ertrage es nicht.“
„Ist es wegen Irina?“ Sogar der Name tut ihr weh. „Ja ...“ Eine ganze Weile ist er still. „Ich weiss nicht, was ich sagen soll. Ich ... mir ist immer noch nicht ganz klar, dass es passiert ... dass wir ...“ Er bricht ab, scheint einen anderen Anfang zu suchen. „Komm, wir gehen ins Wohnzimmer und setzen uns hin.“ Sie lässt sich widerstandslos von ihm durch ihre eigene Wohnung schieben. Er zwingt sie mit sanfter Gewalt aufs Sofa. Setzt sich neben sie. Lässt ihre Hand nicht los. Sein Daumen malt Kreise in ihre Handfläche. Sie weiss nicht, ob er es bewusst macht. Aber sie hält ihn nicht davon ab. „Es ist so verdammt schwierig ...“, fängt er an. „Aber wir müssen darüber reden ...“
Sie holt Luft. „Ja, das müssen wir wahrscheinlich ...“
„Eben, du musst dir keine Sorgen machen, ich hab nichts Ansteckendes ... Ich mach auch einen Test, wenn du willst ...“ Er meint es ernst, das sieht sie seinem Gesicht an. „Du musst dir auch keine Sorgen machen. Ich bin übervorsichtig. Normalerweise ...“ Sie stockt. „Ich hab es nie ohne Gummi getan und es waren auch nicht ... besonders viele ...“ Sie will, dass er das weiss . Sie hält seinen Blick fest. „Und ich war auch noch nie mit jemandem im Bett, der in festen Händen ist. Ich fand das immer verwerflich. Ich habe heute meine eigenen Regeln gebrochen. Und ich habe es nicht darauf angelegt, dich soweit zu bekommen ...“
„Ich weiss“, sagt er. „Ich war es, der immer mit dir geflirtet hat. Nicht umgekehrt. Du hast nie irgendwelche Anstalten gemacht, mich zu verführen. Und nein, ich hätte auch nie damit gerechnet ... Ich weiss nicht, warum das heute passiert ist mit uns beiden ... es ist einfach passiert. Und das klingt genauso dämlich ...“
„Ja, es klingt dämlich“, hält Alys fest.
Sein Blick ist jetzt eindringlich, trifft sie bis ins Mark. „Ich will, dass du etwas weisst. Du bist nicht eine von vielen. Ich meine, ich gehe nicht ständig mit irgendwelchen Frauen ins Bett. Irina und ich – das sind bald zehn Jahre und ich bin ihr treu. Ich meine, ich war es ... bis heute.“
Alys glaubt ihm. Warum sollte er mich anlügen? Sie weiss es spätestens seit Silvester, dass er nicht fremdgeht. Oder nicht fremdgegangen ist. Bis heute. Mit mir. „Warum ich?“, rutscht ihr über die Lippen. „Ich weiss es nicht“, gesteht er. „Ich weiss es wirklich nicht. Ich ... werde es dir sagen, wenn ... wenn ich darüber nachgedacht habe ...“
Eine Weile schauen sie sich nur an und er hält noch immer ihre Hand fest. Dann lässt er etwas hören, was ein Seufzer sein könnte, streicht sich das immer noch regenfeuchte Haar nach hinten. „Ich schlafe auf dem Sofa, wenn du willst, aber ich will dich nicht allein lassen. Und ich kann nicht nach Hause gehen, da fällt mir die Decke auf den Kopf“. Das kann sie verstehen. Zuhause wartet eine leere Wohnung auf ihn, Irina und Lilli sind noch mehrere Tage weg, eine Wohnung voller Erinnerungen an seine Familie und daran, was er getan hat und was es für Konsequenzen haben könnte. Sie beisst sich auf die Innenseite der Wange. Denk nicht darüber nach. Nicht jetzt. Nicht
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