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Sehnsüchtig (German Edition)

Sehnsüchtig (German Edition)

Titel: Sehnsüchtig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanne Woodtli
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Bilder wollen nicht weichen. Sie lassen ihn nicht in Ruhe, sie prasseln weiter. Gequält lässt er sich gegen die Wand sinken, die Fliesen kalt an seiner Haut, versucht die Bilder loszuwerden auf die einzige Weise, die ihm einfällt.
    Dann stakst er in die Küche, mit nassem Haar und in Unterwäsche. Seine Kleider liegen auf dem Boden neben ihrem Bett. Er will Alys nicht aufwecken. Sie soll schlafen. Schlafen so lange sie kann. Schlafen heisst Vergessen . Auf jeden Fall für eine Weile. Er hat gestern gesehen, wie nahe es ihr gegangen ist und das wird sich heute Morgen wohl kaum geändert haben. Dabei ist er es doch, der alles falsch gemacht hat. Gut, sie hat mitgemacht. Aber sie ist nicht diejenige mit dem Verlobungsring am Finger. Er starrt auf das schlichte Schmuckstück. Aus Silber. Er hatte etwas ohne Schnickschnack gewollt. Er nimmt den Ring ab und studiert die Gravur auf der Innenseite. Irina. 24.6.2002. Der Tag an dem sie sich gefunden hatten, sich zum ersten Mal geküsst hatten. An diesem Festival, mitten in der Menge, während dem Konzert der Foo Fighters. Während ‚Learn To Fly’. Fly along with me I can’t make it alone ... Im Juni ist das 10 Jahre her. Als er ihr den Heiratsantrag gemacht hatte, vorletzten Sommer, drei Tage nach dem positiven Schwangerschaftstest, und sie beide gelacht hatten und geweint, und sich festhielten, da sagte er plötzlich: „Darling, es gibt ein Problem mit dem Ring. Das Ding stört mich bei Gitarre-Spielen. Ich glaube, ich hänge ihn mir an einer Kette um den Hals. Wie Jon Bon Jovi ...“ Erst hatte sie perplex geguckt und sich dann auf ihre entzückende Art entrüstet. Erst als er grinste, schlug sie sich mit der flachen Hand gegen die Stirn „Hallo lange Leitung! Man müsste meinen, dass ich nach acht Jahren nicht mehr auf deine Sprüche hereinfalle!“ Er nickte gewichtig und zog sie an sich. „Weisst du was?“, murmelte er an ihrem Ohr. „Ich liebe dich trotzdem.“
    „Gut“, gab sie zurück. „Dito.“
    Sein Finger fühlt sich seltsam an ohne Ring. Er beisst sich auf die Unterlippe und schiebt sich das Schmuckstück wieder auf den Finger. Er wird darüber nachdenken müssen, welche Konsequenzen die gestrige Nacht für seine Beziehung mit Irina haben wird. Aber er kann nicht. Und will nicht. Ich befasse mich schon noch damit. Aber nicht jetzt. Vielleicht bist du einfach zu feige dafür, nörgelt eine Stimme ins seinem Kopf. Ich denke schon noch darüber nach. Nur nicht heute. Er öffnet den Schrank über dem Spülbecken und kramt nach einer Tasse. Seit er damals die Gin-Tonic-Gläser abgewaschen hatte, mitten in der Nacht, als er auf ihrem Sofa erwacht war, weiss er, wo sie ihr Geschirr aufbewahrt. Sowieso ist ihm ihre Wohnung in den letzten Wochen und Monaten vertraut geworden, so dass er sich völlig selbstverständlich durch die Räume bewegt, mal abgesehen von ihrem Schlafzimmer. Er furcht die Stirn bei diesen Gedanken. Seltsam eigentlich. Er holt eine Kapsel aus der Packung und schiebt sie in die Kaffeemaschine. Drückt den Einschaltknopf. Das Gerät erwacht knurrend zum Leben. Dann hört er nackte Füsse über Fliesen tapsen.
    „Hey“, sagt er und dreht sich zu ihr um. Alys bleibt zwei, drei Meter von ihm entfernt stehen. Sie trägt immer noch ihr Pyjama, violetter Stoff, Höschen und Trägertop. Ihr Haar ist nicht so glatt wie sonst. Sie sieht verschlafen aus. Als sie seinen Blick bemerkt, verschränkt sie die Arme vor der Brust. Als würde sie sich unwohl fühlen. Oder in die Ecke gedrängt. „Hey. Du bist noch hier?“ Er hebt eine Augenbraue und drückt den Knopf an der Maschine ohne den Blick von ihr zu beantworten. Die Maschine röhrt protestierend, der Geruch von Kaffee füllt die Küche. „Du klingst erstaunt. Soll ich gehen?“ Sie schüttelt den Kopf. „Ich glaube, ich hätte es dir übel genommen, wenn du einfach verschwunden wärst. Aber ich hätte es auch irgendwie verstanden. Das meine ich ...“
    „Ich verstehe“, sagt er. Sie mustern sich eine Weile, scheinbar unschlüssig. Sie friert. Er kann sehen, wie sich Gänsehaut auf ihren Armen breitmacht. Es ist wirklich kühl in der Küche. „Auch eine Tasse?“, fragt er dann. Als wäre es seine Küche, nicht ihre. „Gern ...“ Also holt er eine zweite Tasse aus dem Küchenschrank, schiebt eine neue Kapsel in die Maschine. Sie öffnet gleichzeitig den Kühlschrank, die Tür quietscht ein wenig, holt die Milch heraus. Arbeitsteilung, schweigend und in Unterwäsche. Sie giesst ein wenig

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