Sehnsüchtig (German Edition)
Verzweiflung darüber, dass Irina die Kleine genommen hatte, um eine Woche in die Berge zu fahren. Ohne ihn. Ich muss nachdenken, hatte sie gesagt. Über uns. Ich brauche ein paar Tage Zeit für mich. Ich brauche Abstand. Es kann nicht so weitergehen mit uns, Eli. Ich liebe dich, aber ich kann nicht mehr. Wenn ich zurück bin, reden wir. Wenn ich nachgedacht habe. Wir müssen eine Lösung finden.
„Und eine mögliche Lösung könnte für dich sein, dass du mich verlässt?“, hatte er damals gefragt und zugesehen, wie sie ihren Koffer packte. Sie blickte auf und ihre Augen waren gross und traurig. „Nein“, entgegnete sie, aber er hörte die Unsicherheit in ihrer Stimme. Sie log . „Eli, mach es mir nicht so schwer ...“, fuhr sie fort, langsam, als wäre jede Bewegung anstrengend. „Ich will nicht, dass das passiert. Wirklich nicht. Aber ...“ Er hielt ihren Blick fest. In seinem Bauch sass ein Klumpen. Drückte. Tat weh. „Aber du hast daran gedacht ...“ Sie kam näher, die Augen schimmerten, wie immer, wenn sie kurz davor war zu weinen. „Ich hasse es, darüber nachzudenken, aber ja – das hab ich ...“ Ihre Stimme klang klein dabei. Eliot liess die Hände sinken. „Verdammt, Irina, ich kann ... ich will das nicht ...“ Eine einzelne Träne löste sich aus ihrem rechten Augenwinkel und floss über ihr Gesicht. Er legte seine Hand an ihre Wange, strich die Träne mit seinem Daumen weg und unwillkürlich schmiegte sie ihr Gesicht dagegen. Wie immer. „Ich will mit dir zusammenbleiben. Und ich bin sicher, wir kriegen das hin. Aber ich muss trotzdem ein paar Tage weg ...“
„Ich will nicht, dass du gehst“. Er klang dabei wie ein weinerliches Kind. Er beugte sich vor und küsste sie. Als könnte er sie auf diese Weise umstimmen. Er küsste sie heftig und verzweifelt. Das kannst du nicht machen. Lass mich nicht allein . Sie schlang ihre Arme um seine Taille, presste sich an ihn, küsste ihn zurück. Sie hielten sich lange umklammert, küssten sich, bis sie ausser Atem waren. Dann löste sie sich von ihm, strich sich ein paar Tränen aus dem Gesicht und packte ihren Koffer fertig. Eine Stunde später war sie gefahren. Er hatte Lilli geküsst, geherzt und in den Autositz gesetzt. Dann hatte er zugesehen, wie der Peugeot um die nächste Ecke verschwand.
Er war ohne Ziel durch die Stadt gestrichen bis es dunkel wurde. Er ignoriert den Regen und dass es kalt war. So ein scheisskalter Februar. Dann ging er ins Atelier, schrieb einen Song und trank Whiskey. Danach schrieb er Alys eine SMS, weil er nicht wusste, was er anstellen würde, so ganz allein. Und sie kam tatsächlich vorbei. Er hatte nur mit ihr reden wollen, ein bisschen Mitgefühl. Das ist es doch gewesen, was ich wollte? Stattdessen küsste er sie. Ohne Vorwarnung und heftig. Hob sie auf den Tisch, fast mit Gewalt, und zog sie aus. Sie hatte sich nicht gewehrt. Erst war sie erstarrt, dann hatte sie mitgemacht. Ich habe Alys geliebt. Auf dem Tisch im Atelier. Und jetzt wacht er in ihrem Bett auf, keine 24 Stunden nach diesem Gespräch mit Irina. Verdammt. Verdammt. Verdammt.
Für einen Augenblick erfasste ihn Panik. Er erstarrt an ihrer Seite, sein Arm um ihre Taille, seine Hand hat sich irgendwie in die Kuhle zwischen ihren Brüsten geschmiegt. Einen Moment lang ist er versucht aus dem Bett springen und zu fliehen, die Wohnungstür hinter sich ins Schloss ziehen. Wegrennen .
Beruhige dich. Er atmet aus und wieder ein. Du kannst nicht wegrennen. Sei kein Feigling. Das hat sie nicht verdient. Ausserdem, wohin sollte er gehen? Die eigene Wohnung war keine Option, dort würden die Wände auf ihn zu kriechen, dort würde ihm die Decke auf den Kopf fallen. Wie sollte er Irinas Schuhe im Flur ertragen? Lillis Spielzeug auf dem Teppich? Wie sollte er jetzt alleine in Irinas und seinem Bett schlafen? In unserem Bett. Und plötzlich überkommt es ihn. Mit Wucht. Ich habe Irina betrogen. Ich bin fremdgegangen. Ich habe mit einer anderen Frau geschlafen. Mit der Frau, die neben ihm liegt. Alys. Sie schläft, bemerkt nichts von seinem Dilemma, von der Panik, die mit kalten Fingern nach ihm greift, während ihm langsam das ganze Ausmass der gestrigen Nacht klar wird. Sie atmet ruhig an seiner Seite. Ihre Brust hebt und senkt sich unter seiner Hand. Er konzentriert sich auf die Wärme ihres Körpers, um sich abzulenken. Vergräbt seine Nase in ihrem Haar, schliesst die Augen. Seltsamerweise beruhigt ihn der Geruch ihres Haars.
Langsam verebbt die Panik.
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