Sehnsüchtig (German Edition)
Immerhin hatte sich Alys heute ins ‚Café Lila’ locken lassen und machte damit ihrem Einsiedlerleben für zwei, drei Stunden ein Ende. Und jetzt dieser Artikel ...
„Warum liest du dieses Schundblatt überhaupt?“, will Alys wissen. Während Mascha noch überlegt, was sie sagen soll, nimmt Alys ihr die Zeitung aus den Händen. „Was gibt es so Interessantes?“
„Du solltest das nicht lesen!“ Zu spät. Alys hat die Seite gefunden, wo ein grosses Bild eines ernst dreinblickenden Eliots prangt und daneben das Handyfoto, das körnig eine Ambulanz vor dem ‚Mon Amour’ zeigt. Und weiter unten eine Bildstrecke von Irina, der Fotograf hat sie auf dem Weg zum Auto abgefangen, sie sieht aufgebracht und unglücklich aus, versteckt auf den meisten Schüssen ihr Gesicht hinter ihren Händen. Daneben ein Bild, wo sie lächelt, die Journalistenratte muss es ab ihrem Facebook-Profil geklaut haben. Alys lässt die Zeitung sinken. Sie hat keine Farbe mehr im Gesicht.
Mascha legt eine Hand auf Alys’ Unterarm. „Ich wollte nicht, dass du das liest!“
Alys schüttelt den Kopf. „Ich hätte es doch eh herausgefunden. Ich google ihn doch sowieso ständig weil ich nicht anders kann. Ich wäre sowieso über den Artikel gestolpert.“ Sie bricht ab und starrt wieder auf die Zeitung.
„Bestimmt kümmern sie sich gut um ihn in dieser Klinik! Er braucht einfach Zeit. Er wird bestimmt wieder ganz gesund“, versucht es Mascha. Alys scheint ihr gar nicht richtig zuzuhören. „Ein Burnout. Und Tablettensucht. Ich hätte es ahnen müssen, ich hätte ihm helfen müssen. Ich wusste, dass es ihm nicht gut ging, aber ...“
„Wie hättest du ihm denn helfen können, Alys? Er hat doch kaum auf sie gehört! Oder auf sein Umfeld. Ich glaube, du hast ihm irgendwie sogar gut getan. Er wirkte immer gelöster, wenn du da warst. Vielleicht hat er darum deine Nähe gesucht, vielleicht wäre es sonst noch schneller geschehen.“
Alys schaut über Maschas Schulter ins Leere. „Ich frage mich, ob das mit uns nur passiert ist, weil er in diesem Ausnahmezustand war? Weil er schon krank war oder dabei war, krank zu werden. Es tut so weh, dass zu lesen, M! Und ich kann nichts tun, ich kann niemanden anrufen und fragen, wie es ihm geht.“
Mascha rutscht mit ihrem Stuhl zu Alys und legt eine Hand um ihre Schulter. „Ich weiss, Schnecke. Aber du hast Recht, du kannst nichts für ihn tun. Er hat sich gegen dich entschieden. Ich habe einmal gelesen, dass es bei einem Burnout vor allem darauf ankommt, dass der Patient merkt, dass er seine Verhaltensmuster ändern muss, um später nicht wieder in die gleiche Situation zu geraten. Es ist ein langer Weg zur Heilung, ein schwieriger Weg und er muss ihn alleine gehen. Und du musst versuchen, über ihn hinwegzukommen. Ich weiss, dass das schwierig ist und es lange dauern wird – und ich werde da sein. Aber du musst es versuchen!“
„Ich weiss“, kommt sehr leise von Alys. Mascha packt die Zeitung und legt sie auf den Nachbartisch. Aus den Augen, aus dem Sinn. Wenn es nur so einfach wäre. Wenn sie Alys nur ein Serum verabreichen könnte um zu vergessen. Sie hat Alys schon verschiedene Male mit Liebeskummer gesehen, aber diesmal ist es etwas Anderes. Er war etwas ganz Anderes. Er war etwas Grosses für sie. Die grosse Liebe, sogar?
„Der Artikel ist scheusslich!“ Alys legt beide Hände um ihre Kaffeetasse als würde sie frieren. „Ja“, sagt Mascha gedehnt. „Sie haben kein Recht, Irina aufzustöbern und ihren Namen zu nennen. Sie ist keine öffentliche Person. Und ich frage mich, wer diese anonyme Quelle ist oder ob sie das alles erfunden haben.“
„Nein, dafür stimmt zu viel. Dass er mehr getrunken hat und schwierig war. Und die Probleme mit Irina. Es könnte Tom gewesen sein.“
Mascha hebt eine Augenbraue. „Der ehemalige Keyboarder? Du meinst, Rache für den Rauschmiss?“ Alys nickt. „Eliot hat mal gesagt, dass die anderen der Band immer noch Kontakt mit ihm haben und ihm eigentlich noch eine Chance hätten geben wollen. Oder dann war es Noah Hirsbrunner, auch er könnte einiges wissen, und auch ihm würde ich es zutrauen.“
Mascha verzieht das Gesicht bei der Erwähnung des Namens. „Was? Schämst du dich mittlerweile dafür?“ Mascha sieht die Andeutung eines Lächelns in Alys’ Mundwinkeln. Das ist schön zu sehen. „Nein, mir ist nur schon länger klar geworden, was für ein Idiot Noah ist. Ein schöner Idiot zwar.“
„Ein aufgeblasener Idiot“, hält Alys
Weitere Kostenlose Bücher