Sehnsüchtig (German Edition)
fest.
„Ja“, sagt Mascha. „Aber ich glaube nicht, dass er es war. Er ist doch nicht besonders gut mit der Band befreundet, ich glaube nicht, dass Marlen ihm so viel von Eliots Problemen anvertraut hätte. Es war eher Tom. Oder irgendjemand aus Eliots Umfeld, der neidisch auf seinen Erfolg ist. Ein falscher Freund.“
*
Sie versucht, ihn zu vergessen. Aber es gelingt ihr nicht. Jeden Tag geschieht irgendetwas, das sie an ihn erinnert. Weil sie im HBF an der Bahnhofapotheke vorbeikommt. Oder am „Mon Amour“. Oder weil „Candy“ im Radio läuft. Die Single ist ein Erfolg, ist bereits in der Top 10 der Hitparade und klettert jede Woche ein wenig höher. Sie könnte sein erster Nummer-Eins-Hit werden. Alys hört auf, Radio zu hören. Dafür denkt sie bei jedem Porsche, der ihren Weg kreuzt, an ihn, egal ob schwarz oder nicht, egal ob alt oder neu. Wer hätte gedacht, dass es so viele Porsches in einer einzigen Stadt gibt.
Oder dann liest sie das Interview mit Wolf Kebel im „Rock’n’Roll’Star“. Der Chef von „StarCore“ gibt Auskunft über die neuesten Trends im Musikgeschäft. Ein feistes Gesicht blickt ihr von der Seite entgegen, in Form geklebtes Haar, die Schläfen graumeliert. Er lächelt selbstverliebt und erwähnt, er hätte vor kurzem Verhandlungen mit Eliot Wagner geführt, aber dieser habe nach langem Nachdenken tatsächlich einen lukrativen Plattenvertrag bei ‚StarCore’ ausgeschlagen, um bei seinem kleinen Indie-Label zu bleiben. „Im Nachhinein bin ich froh darüber. Man sieht ja jetzt, wie es mit Eliot Wagner gekommen ist. Er scheint eine begabte, aber leider nicht belastbare Künstlerseele zu sein, die mit Ruhm nicht zugange kommen. Schade um das Talent, wirklich schade“, wird Kebel zitiert. Alys knallt das Rockmagazin angewidert auf den Stapel mit Altpapier, um sein Gesicht nicht länger sehen zu müssen. Du hast keine Ahnung von Eliot und davon, wie gut er ist. Du kennst ihn kaum. Alles, was dich an ihm interessiert hat, ist die Kohle, die du mit ihm hättest scheffeln können. Er wäre doch nur eine Cash Cow für dich gewesen. Du hast kein Recht, über ihn zu urteilen.
Sie nimmt verschiedene kleinere Aufträge an, ein Flyer für eine neue Partyreihe, ein Buchcover, Visitenkarten und stürzt sich in die Arbeit. Sie arbeitet. Und wenn sie nicht arbeitet, dann schläft sie. Schlafen heisst vergessen, auf jeden Fall für eine Weile.
Zwei Wochen später kracht das bisschen Normalität in sich zusammen, das sie sich krampfhaft aufgebaut hat. Sie druckt eben Rechnungen für Kunden aus, da hört sie das Handy auf der Küchenkombination vibrieren. Sie geht in die Küche, aber es hat schon aufgehört. ‚Verpasster Anruf – Eliot Wagner’, steht auf dem Bildschirm. Lange steht sie da und starrt auf den Namen, der Küchenboden fühlt sich kalt unter ihren Füssen an, es ist ein unfreundlicher Frühling und ihre Verwaltung hat die Heizung bereits abgedreht. Das Handy in ihrer Hand zittert. Warum rufst du mich an? Geht es dir schlechter? Hast du es dir anders überlegt? Brauchst du mich? Ich kann dich nicht zurückrufen ... Kann ich? Warum machst du es mir so schwer, dich zu vergessen?
Ihr Finger zögert auf dem Display. Ruf ihn nicht zurück, hört sie Maschas Stimme in ihrem Kopf. Er hat sich gegen dich entschieden. Er hat Irina versprochen, dass er sich nicht bei dir meldet. Ruf ihn nicht an. Bekomm dein Leben wieder auf die Reihe, bitte, Schnecke. Ich will dich nicht länger so leiden sehen ...
Alys legt das Handy auf die Küchenkombination zurück. Hält es plötzlich nicht mehr in der Wohnung aus, ich muss raus, ich verliere hier den Verstand. Sie schlüpft in ihre Jacke und in ihre Chucks, greift nach ihrem Schlüsselbund, hängt ihn sich um den Hals und flieht die Treppe herab. Vor ihrem Haus regnet es Bindfäden. Egal, Hauptsache, weg vom Handy und dem Namen auf dem Bildschirm. Sie schlägt die Kapuze der Lederjacke hoch und marschiert los, sie geht schnell und die Bewegung tut ihr gut. Der Regen auf ihrem Gesicht, die kalte Luft in ihrer Lunge, irgendwie fühlt sie sich lebendiger jetzt.
Plötzlich findet sie sich vor der Garage in ihrer Nachbarschaft wieder. Der dunkelviolette alte Saab 900 fällt ihr ins Auge. Sie geht näher. Hat er ihn noch nicht verkauft? Sie legt ihre Hand auf den nassen Lack. Das Auto hat ihre Lieblingsfarbe. Ein seltsamer Zufall . Oder ein Omen ? Plötzlich weiss sie, was sie tun muss.
*
Mascha erkennt sie nicht. Wie auch. Sie
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