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Sei dennoch unverzagt: Gespräche mit meinen Großeltern Christa und Gerhard Wolf (German Edition)

Sei dennoch unverzagt: Gespräche mit meinen Großeltern Christa und Gerhard Wolf (German Edition)

Titel: Sei dennoch unverzagt: Gespräche mit meinen Großeltern Christa und Gerhard Wolf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Simon
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vielleicht Helenes Generation, die zehn Jahre jünger ist als wir, schon wieder eher. Ein Thema, das mich gerade sehr umtreibt, ist die Folterdebatte: Wie weit kann man im Krieg gegen den Terror gehen? Meiner Meinung nach ist Folter eine Grenze, die einfach nicht überschritten werden darf. Besonders wenn man an Abu Ghraib oder Guantánamo denkt. Darüber möchte ich so schreiben, dass man merkt, dass ich dagegen bin. Bei anderen Themen bemühe ich mich eher um Ausgewogenheit. Ich bin keine Ideologin, alles Missionarische ist mir fremd. Weil ich die Wirklichkeit selten als so eindeutig erlebe. Es ist eben nicht mehr schwarz und weiß, bei fast allem gibt es ein Für und Wider. Und ich finde gerade die Zwischentöne, das Graue viel spannender.
    CW     Aber was immer man auch schreibt, und wenn es nur ein Interview mit einer Schauspielerin ist, es wird immer herauskommen, was man denkt.
    JS     Ja, man ist nie vollkommen objektiv. Schon gar nicht in Reportagen oder Porträts, die ja die subjektivsten Darstellungsformen im Journalismus sind. Ich finde, man merkt meinen Texten deutlich an, was ich denke. Die Zwischentöne eben. Es gibt aber immer wieder Leute, die sagen, ich solle mehr deuten und stärker betonen, was ich persönlich von einer Sache oder einer Person halte.
    CW     Ich glaube, Gerd hat das manchmal früher gesagt. Heute nicht mehr, dein Interview neulich fand er sehr gut oder deine Geschichte über die Anzeige dieses deutschen Anwalts gegen Donald Rumsfeld wegen Folter 83 .
    JS     Nicht alle Themen sind so eindeutig. Ich weiß nicht immer sofort: Ist das nun gut oder schlecht.
    CW     Du, Jana, du wirst es vielleicht nicht glauben, aber das verstehe ich vollkommen. Wenn ich eine innere Diskussion führe, was ich über ein bestimmtes Thema denken soll, dann müsste die Antwort heute fast immer lauten: Ich weiß es nicht! Übrigens ist das auch der letzte Satz meines neuen Buches.
    JS     Diesen Satz könnte man als Leitspruch über das gesamte jetzige Leben stellen. Die komplette Überforderung mit allem ist so immanent.
    CW     Genau, und wenn man denkt, sich einer Sache sicher zu sein, gibt es eine Enthüllung, dass es doch völlig anders gewesen ist. Das führt auch dazu, dass ich mich nicht verpflichtet fühle, mich dauernd öffentlich zu äußern wie zum Beispiel Günter Grass.
    JS     Bis zu einem gewissen Punkt sind alle Autoren Egomanen.
    CW     Da ist schon etwas dran. Wenn man es überhaupt wagt, etwas in die Welt hinauszulassen, muss man schon einen Triller haben.
    JS     Was liest du eigentlich gerade?
    CW     Gerade habe ich das Buch eines Literaturwissenschaftlers, Michael Maar, gelesen, der die Textmotive von Vladimir Nabokov durchleuchtet 84 . Dazwischen kam ein Roman von William Trevor, dem alten irischen Autor. Und jetzt werde ich das Buch von der Irina Liebmann 85 über ihren Vater Rudolf Herrnstadt lesen.
    JS     Das habe ich vor kurzem gelesen und fand es richtig gut. Als Kind war ich mit Liebmanns Tochter befreundet. Gerade lese ich das Buch des amerikanischen Reporters Lawrence Wright über die Vorgeschichte des 11 . September, darin werden parallel die Lebensläufe von Osama Bin Laden, seinem Vertrauten Aiman al-Sawahiri, dem saudischen Geheimdienstchef und dem obersten FBI -Terroristenjäger erzählt 86 . Interessant finde ich vor allem, wie brutal sich die Islamisten untereinander bekämpfen und sich gegenseitig als »Ungläubige« anfeinden.
    CW     Ich notiere immer in meinem Tagebuch unten in der letzten Zeile, was ich am Tag gelesen habe. Sonst vergesse ich das. Wenn ich mich darüber unterhalten will, was ich als Vorletztes gelesen habe, müsste ich es eigentlich noch einmal lesen. Ich vergesse so viel. Das ist schlimm.
    JS     Die fünf wichtigsten Bücher deines Lebens – könntest du die nennen?
    CW     Das ist ganz schwer, könnte ich gar nicht sagen. Wüsstest du welche?
    In diesem Augenblick tritt meine Tante Tinka in die Küche. Sie ist von meinem Aufnahmegerät begeistert. Es funktioniert nicht mehr mit Kassetten wie noch jenes, das ich bei den ersten Gesprächen mit meinen Großeltern benutzte. Das neue ist ein Digitalgerät – klein und leicht.
    Tinka    Das wird Jana morgen ins Netz stellen!
    JS      (zu CW ) Meinst du, ihr werdet jemals noch das Internet nutzen?
    CW     Ich glaube nicht!
    Tinka    Wir raten ihnen heftig davon ab. Stell dir einmal vor, sie würden das machen. Sie

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