Sei lieb und büße - Thriller
Ben.
»Mama, sag du auch mal was!«
»Sina hat recht. Das tut man nicht. Zumindest nicht so. Wenn’s drückt, dann leise und mit der Hand vor dem Mund.«
»Danke«, sagt Sina und wirft Ben einen »Siehste«-Blick zu, wofür sie schnurstracks eine herausgestreckte Zunge erntet.
»Hört auf zu streiten.« Ihre Mutter setzt sich mit einer Tasse Kaffee an den Tisch und streicht die Haut auf ihrer Stirn auseinander. »Habt ihr am Samstag ein Spiel?«
»Nächste Woche. Das letzte Spiel der Saison.« Träge vom vielen Essen steht Sina auf und balanciert die Teller zur Spüle. »Zum Glück. Nächstes Jahr spiele ich nicht mehr in der Schulmannschaft. Das mit den Wochenenden ist mir einfach zu blöd.«
»Das hätte ich dir ohnehin vorgeschlagen. Nächstes Jahr musst du deine ganze Konzentration aufs Abi richten.« Ihre Mutter trinkt den Kaffee in kleinen Schlucken. Gefährlich kleine Schlucke, ohne die Tasse abzusetzen, als wäre ihrem Arm der Weg zu anstrengend. »Lad dir am Wochenende doch diese netten Mädchen ein. Tabea und … wie hieß sie noch?«
»Bessy.«
»Genau. Bessy.«
Aus Bens Ecke ertönen Würgegeräusche. Sina schießt ihm einen warnenden Blick zu. Sieht er nicht, dass ihre Mutter schlecht drauf ist?
»Spar dir deinen Kommentar«, sagt sie scharf. »Ich weiß, dass du sie nicht magst.«
Noch immer tut Ben so, als müsste er sich übergeben.
»Du bist so blöd«, zischt Sina und räumt die Teller in die Spülmaschine.
»Es reicht!«, sagt ihre Mutter. »Ich habe Kopfschmerzen.«
»Ich hab gar nichts gesagt«, verteidigt sich Ben und verlässt beleidigt die Küche.
Genervt blickt Sina ihm nach, während sie die Spülmaschine schließt. Zu abrupt. Teller klirren, als zerschlage jemand mit einem Holzhammer das Geschirr. Sie kneift Augen und Mund zusammen, als erwarte sie einen Schlag, dann öffnet sie die Maschine, zieht vorsichtig den unteren Korb heraus und stellt die umgefallenen Teller wieder auf.
»Habe ich nicht gerade gesagt, dass ich Kopfschmerzen habe? Dass du immer so rücksichtslos sein musst!«, schimpft ihre Mutter und stellt die Kaffeetasse etwas zu heftig ab. Lautlos schließt Sina die Spülmaschine.
»Entschuldige. Und danke fürs Essen.« Bevor sie ihre Mutter noch mehr verärgern kann, eilt Sina aus der Küche. Kaum hat sie den Flur betreten, läutet es. Sie drückt den Knopf der Gegensprechanlage.
»Hallo?«
»Hallo, Sina, wir sind’s, Bessy und ich«, dringt Tabeas Stimme durch den Hörer. »Können wir raufkommen?«
Verdammt! Ausgerechnet jetzt! Wie kann sie die beiden nur abwimmeln, ohne sie zu verprellen?
»Nur ganz kurz, wir wollen dir was geben.« Wieder Tabea.
Sina drückt auf den Summer und öffnet die Wohnungstür. Schon schallen Tabeas Gekicher und das Klappern von Absätzen durch das Treppenhaus. Vielleicht muss sie die beiden gar nicht in die Wohnung bitten, vielleicht wollen sie wirklich nur schnell etwas abgeben.
»Entschuldige, dass wir dich so überfallen.« Tabea steht als Erste vor ihr. »Laureen hat uns erzählt, dass du uns vorhin in Schutz genommen hast, und da wollten wir uns –«
»Sina? Seit wann lassen wir Gäste an der Tür stehen?« Die Stimme ihrer Mutter ist freundlich, doch Sina hört den Vorwurf darin, bedrohlich und tickend wie eine Zeitbombe. Sie schiebt Sina zur Seite und öffnet die Tür ganz. »Kommt herein.«
Artig folgen Tabea und Bessy ihr in die Küche. Sina schneidet eine Grimasse, als ihre Mutter sich umdreht. Blitzartig setzt Sina ein unschuldiges Lächeln auf. Doch es ist zu spät. Ihre Mutter muss die Grimasse gesehen haben, ihre Augen verengen sich. Sina spürt die Spannung, die sich zwischen ihr und ihrer Mutter aufbaut, als drehe jemand einen Voltregler unerbittlich nach oben. Ihre Mutter steht ganz still, als sei sie unschlüssig, was sie als Nächstes tun soll, dann verlässt sie wortlos die Küche. Sina atmet auf. Glück gehabt.
»Möchtet ihr was trinken? Wasser? Saft?«
»Wasser«, sagen Bessy und Tabea wie aus einem Mund und Sina holt eine Flasche Mineralwasser und drei Gläser.
»Wir wollten uns bei dir bedanken«, sagt Bessy, als Sina die Gläser vollschenkt. »Normalerweise ziehen die Leute über uns her, sobald wir außer Hörweite sind.«
»Ja, klasse, dass du uns verteidigt hast. Echt ein feiner Zug von dir«, bekräftigt auch Tabea.
Sina zuckt mit den Schultern. »Ist doch normal … unter Freunden«, fügt sie hinzu und spürt, wie sie errötet.
»Dann … auf die Freundschaft!« Bessy hebt ihr
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