Sei lieb und büße - Thriller
zumindest.«
»Hei was?«
»Einen aus der besseren Gesellschaft. Die aus den Klatschzeitschriften.«
»Warum?«
»Weil ihr Papa adelig und stinkreich und Bürgermeister ist. Laureen hält sich deswegen für was Besonderes.«
»Ich mag sie auch nicht«, sagt Ben.
»Gut.« Sina zückt ihr Handy.
Lieber rik, werde aufgehalten, weiß nicht, ob ich es noch schaffe. Tut mir echt leid. Möchte dich gern sehen, können wir verschieben? LG, Sina
Mit zitternden Fingern sendet sie die Nachricht. Sie wirft Ben ihren alten Gameboy zu, setzt sich an ihren Schreibtisch und schaltet den Computer an. Eine Minute später surrt ihr Handy. Ihr Magen macht einen Bungeesprung.
Kein Problem, bin ab acht da, komm, wann du willst. Freu mich. Rik
Sina blickt zu Ben und zurück auf ihr Handy. Vielleicht kann sie später ja doch noch weg.
Bens gleichmäßiges Schnarchen bohrt sich wie eine Made in Sinas Kopf und frisst Löcher in ihre Konzentration. Sie blättert vor, überfliegt den eingerahmten Text und schließt das Geschichtsbuch. Das muss reichen. Falls die Berg sie morgen ausfragt. Was durchaus wahrscheinlich ist. Noch vier Wochen bis Notenschluss. Sie geht zum Bett, löst den Gameboy aus Bens Händen und deckt ihren Bruder zu. Dann setzt sie sich an den Computer und ruft Facebook auf. Im Chatfenster entdeckt sie Melle.
Sina: Hi, Melle!
Melle: Kommst du am WE? Meine Eltern sind weg – Party Party Party!!
Sina: Kann nicht. Haben am Samstag ein Spiel.
Sina zerreißt einen Schmierzettel und knüllt die Papierschnipsel zu Kugeln. Sie nimmt die erste und zielt auf den Miniaturkorb an ihrem Abfalleimer. Treffer.
Melle: Ach komm, du kannst das Spiel doch sausen lassen.
Sina: Geht nicht. Ist DAS Spiel der Saison.
Sie schnappt sich das zweite Papierknäuel und wirft. Treffer.
Melle: Du gehst nur wegen Rik zu dem Spiel, stimmt’s? Gib’s auf, du bist nur Spielfleisch. Eine Wurfmaschine. Sonst hätte er längst angerufen.
Sina zielt und verfehlt. Von wegen Wurfmaschine. Sie müsste den Korb blind und einseitig gelähmt treffen.
Sina: Nix Spielfleisch. Er hat mich wieder geküsst :-))))
Melle: ???? Wiewowannwas?
Sina: Nach dem Training. Wir wollten uns heute treffen.
Melle: Wollten?
Sina: Mama hat mal wieder einen Anfall.
Sie schließt die Augen und schnipst die nächste Kugel über den Tisch. Sie hört, wie das Papier den Korb trifft, und öffnet die Augen. Na also.
Melle: Schlimm?
Sina: Laut. Aber jetzt ist wieder alles ruhig. Glaube, sie pennt.
Melle: Und Rik? Wann triffst du ihn?
Sina: Weiß nicht. Was meinst du, soll ich noch zu ihm? Ist ja erst halb acht.
Melle: Vergiss es. Dort denkst du sowieso nur an Ben. Kann Rik nicht zu dir kommen? Wenn deine Mutter mal pennt, spannt sie doch eh nichts.
Sina: Hmmm. Weiß nicht. Ich check mal, wie tief sie schläft.
Melle: Viel Glück!
Sina geht auf Zehenspitzen zur Tür und lauscht. Stille. Sie dreht den Schlüssel im Schloss und drückt lautlos die Klinke nach unten, horcht auf Atemgeräusche, das Knacken eines Gelenks, leise Sohlen. Nichts. Angespannt verlässt sie ihr Zimmer und schleicht durch den hell erleuchteten Gang in die Küche. Es sieht aus wie nach einem Bombenangriff. Der Boden ist mit Porzellanscherben übersät, dazwischen Wasserlachen. Die Blumen, die ihr Vater am Freitag mitgebracht hat, liegen über dem Chaos verstreut wie Petersilie auf einer Suppe.
Sina seufzt. Was für eine Sauerei. Dann schaut sie ins Wohnzimmer und läuft schließlich den Flur entlang, an der Eingangstür vorbei, an der Gästetoilette, dem Bad, ihrem Zimmer und Bens. Mit zusammengepressten Lippen macht sie die letzte Tür einen Spaltbreit auf und lauscht. Das Schlafzimmer ist dunkel, die Rollläden sind heruntergelassen. Im Schein des Flurlichts schleicht sie zum Bett.
»Verdammt! Mama!« Sina starrt ins reglose Gesicht ihrer Mutter. Sofort schießen ihr Bilder durch den Kopf. Bilder, die sie nicht sehen will. Die sie nie wieder sehen will. Sie drängt sie zurück. Zwingt sich, ruhig zu atmen. Angelt nach den Schlaftabletten auf dem Nachttischkästchen und hastet in den Flur. Ihre Augen suchen nach der Markierung. Sie zählt die Tabletten nach und atmet auf.
In der Küche vermerkt sie die Anzahl der restlichen Tabletten auf der Packung. Dann nimmt sie ihr Handy und tippt eine Nachricht.
Ich noch mal. Muss leider auf ben aufpassen. Kannst du zu mir kommen? Sorry wg hin u her. Freu mich auf dich. Sina
Vorsichtig bahnt sie sich einen Weg durch die Scherben, holt Putzeimer und
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