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Sei mein Moerder

Sei mein Moerder

Titel: Sei mein Moerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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keine Feiglinge sind.«
    Ich bin kein Feigling!
    Caffé lächelte. »Oder wir sind es doch. Schließlich kann man sich umbringen, nicht wahr? Ich hätte mich töten können und die Frau und ihre Kinder würden noch leben. Schließlich hat jeder die Möglichkeit, den einen letzten Ausgang zu nehmen. Damit wäre ich zumindest den Regeln der sogenannten Moral gefolgt.«
    Mark presste die Lippen aufeinander. Hätte er sich getötet, wäre der Deal mit Kussmund beendet gewesen. Weder sein Vater, noch die anderen drei Menschen wären tot.
    Feigling!, hallte es in Mark wider.
    »Die Zeit ist um, Herr Caffé.« Er stand auf und rückte den Stuhl nach hinten. Er drückte auf einen Knopf, und summend öffnete sich die Tür. Ein Beamter trat ein. »Bringen Sie diesen Mann zurück in seine Zelle!«
    Caffé erhob sich, langsam und geschmeidig. »Werden wir uns wiedersehen?«
    »Nein«, gab Mark zurück. »Wir sind am Ende.«
    Caffé schüttelte den Kopf. »Ich bin es nicht, Doktor. Sie sind es, und Sie haben meine ganze psychopatische Empathie.«

28
     
    Nach dem Gespräch war Mark nicht mehr in der Lage, ins Präsidium zu fahren, und hatte gleich den Weg nach Hause genommen. Sollten sie denken, was sie wollten, er brauchte Ruhe. Außerdem konnte es sein, dass ein neuer Brief da war.
    Ich bin neugierig! Ich will wissen, was Kussmund zu meiner Tat sagt!
    Er stutzte und ihm fiel auf, dass er heute noch nicht einmal darüber nachgedacht hatte, wem er das Leben gerettet hatte.
    Seiner Tochter oder seiner Mutter?
    War es ihm inzwischen egal?
    Es schauderte ihn.
    Er rief seine Tochter an. Handyverliebt, wie 13-Jährige waren, ging sie sofort dran.
    »Hallo Papa.«
    »Hallo Kleines.«
    »Wie geht es dir?«
    »Und dir?«
    »Ich vermisse dich.«
    »Hast du mit Mama gestritten?«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Sie weint die ganze Zeit. Das hat sie noch nie getan, seitdem ihr euch getrennt habt.«
    »Ach, weißt du ...« Was sollte er sagen? So war es stets. Für seine Klienten oder Patienten hatte er immer das richtige Wort parat, in seiner Familie versagte er. Er zwang sich. »Das ist ganz normal, wenn man so lange zusammen war.«
    »Und warum besuchst du uns nicht? Vielleicht könnt ihr dann gemeinsam weinen.«
    Er hätte sie küssen wollen. Sie war eine gute Schülerin, modern und clever, andererseits konnte sie ein naives, liebes Kind sein.
    »Ich glaube nicht, dass Mama mich sehen will, wenn sie so traurig ist.«
    »Würdest du sie gern sehen, wenn du traurig bist?«
    »Lass uns über dich sprechen, Süße.«
    »Mama sagt, Männer sind so. Sie weichen einem immer aus.«
    »Nicht alle Männer sind so, aber ich glaube, deine Mutter liegt da nicht ganz falsch.«
    »Also, mir geht es ganz gut. Ich bin nicht mehr mit Dennis zusammen. Der war doof. Er wollte immer nur knutschen und liest so blöde Sachen.« Und im ernsthaften Ton: »Ich glaube, der hat von Anfang an nicht zu mir gepasst.«
    »Du bist ja auch ein ganz besonderes Mädchen.«
    »So, wie du in ganz besonderer Papa bist.« Liebe Güte, wie sehr er sie liebte.
    »Wir sollten uns wieder treffen. Ich hoffe, ich habe bald Zeit.«
    »Mama sagte, du hast jetzt viel mehr Zeit als früher.«
    »Stimmt.«
    »Wir könnten was gemeinsam unternehmen.«
    »Und was sagt deine Mutter dazu?«
    Er sah regelrecht, wie sie die Achseln zuckte und eine Schnute zog. Sie lebte noch und Gabi auch. Also hatte er gestern Abend alles richtig gemacht.
    »Vielleicht besuche ich euch«, sagte er, einer plötzlichen Eingebung folgend. »Vielleicht schneller, als du denkst.«
    »Au ja, das wäre toll.«
    »Mach’s gut. Bist meine Beste.«
    »Du auch, Papa. Ciao.«
    »Ciao.«
    Er wischte sich Tränen aus dem Gesicht.
    Er erinnerte sich an die Therapiestunden, in denen er einen Klienten zur Katharsis gebracht hatte, was oftmals ein heilender Vorgang gewesen war. Das waren lange, schlimme Stunden gewesen.
    Und diese Katharsis erlebte er jetzt selbst.
    Er weinte nicht, sondern heulte, er heulte nicht, sondern schrie, und während der ganzen Zeit liefen die Tränen, lief Rotze aus der Nase, Speichel aus dem Mund, und je mehr er weinte, desto stärker wurde das Gefühl, noch mehr, immer mehr von sich zu geben. Er stolperte zur Couch, fiel dorthin, schlug auf die Kissen ein, und stets, wenn er dachte, sich zu beruhigen, strömte mehr aus ihm, bis aus seiner Kehle nur noch ein Röhren kam, wie das eines geschlagenen Tieres. Und es war noch längst nicht vorbei. Während er auf die Kissen hämmerte, wie wahnsinnig die

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