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Sei mein Moerder

Sei mein Moerder

Titel: Sei mein Moerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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Schuld leben konnte.

27
     
    Justizvollzugsanstalt Berlin Moabit, Ebene 3, Raum 214.
    Zwei Männer, gegenüber an einem Tisch. Neonbeleuchtung, eine Stahltür, eine Gittertür, keine Fenster.
    »Wie geht es Ihnen, Dr. Rieger?«
    »Danke. Wie geht es Ihnen, Herr Caffé?«
    »Ich glaube, in einer Landesheilanstalt wäre ich glücklicher. Würde mehr Spaß machen, Napoleon beim Abschreiten seiner Armee zuzuschauen oder einer brabbelnden Hexe, die glaubt, die sei Macbeth begegnet.«
    Mark stützte die Ellenbogen auf den Tisch. »Sie glauben, Sie sind krank?«
    »Es liegt nicht an mir, das festzustellen. Außerdem werden Sie sich an unser letztes Gespräch erinnern. Es ist eine Frage der Verhältnismäßigkeit.«
    »Sie weichen mir aus.«
    Der schmale Buchhaltertyp lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor die Brust.
    Mark, der die Geste richtig zu deuten meinte, sagte sanft: »Warum die Kinder?«
    Caffé hatte den Zwillingen die Köpfe eingeschlagen, danach hatte er sie aufgeschlitzt und die Därme verknotet, soweit das möglich war. Einer der Polizisten, der die Leichen gefunden hatte, war am nächsten Tag dienstunfähig geschrieben worden.
    »Weil ich es konnte.«
    »Nein, das ist zu wenig«, sagte Mark, der sich anstrengen musste, professionelle Ruhe zu bewahren.
    »Ist es nicht, Doktor. Sie kennen das Beispiel des Hundes, der sich die Eier leckt?«
    »Plattitüden.« Und nach einer Pause: »Was wäre, wenn man Sie laufen ließe?«
    »Ich würde mir eine Frau suchen, sie schwängern und gemeinsam mit ihr unser Kind aufziehen.«
    Mark schauderte es bei diesem Gedanken.
    Sie blickten sich an. Mark wusste, dass Schweigen sehr oft dazu führte, dass der Klient sich öffnete.
    Caffé kniff die Augen zusammen. »Wissen Sie ... ich habe die Nase voll von dem ganzen Geschwätz über Psychopathen und darüber, wie krank sie sind.«
    Mark schwieg noch immer.
    »Raubtiere ohne Kette nennt man sie. Dabei sind sie unter uns. Erfolgreich und angesehen.« Caffé lachte leise. »Man hat herausgefunden, dass auch John F. Kennedy ein Psychopath war, genauso wie Steve Jobs. Sie alle waren Menschen, die in Stresssituationen kalt und gefühllos handelten. Kennedy verhinderte den Dritten Weltkrieg. Jobs galt als charmant, fokussiert und skrupellos. Sie und viele andere sind aggressive, unbekümmerte Menschen ohne Verantwortungsgefühl, gut darin, andere zu beeinflussen, sich selbst am wichtigsten. Sie zeigen alle Anzeichen eines Psychopathen. Aufgrund eines darwinistischen Narrenstreichs besitzen sie genau dieselben Persönlichkeitsmerkmale wie ich.«
    Mark war sprachlos.
    »Ich bin sicher, dass die weitaus größere Zahl von Psychopathen frei herum läuft und sich durch besonderen Erfolg im Beruf auszeichnet. Wissen Sie, Doktor ... ein normaler Mensch, der eine Milliarde an der Börse versemmelt, sperrt sich ins Klo und kotzt. Doch diese Burschen gehen nach Hause und schlafen seelenruhig. Oder glauben Sie, einer wie Madoff, der letzte Chef der Lehman Brothers, verschwendete auch nur einen Gedanken daran, was er angestellt hatte? Diese Leute könnten ihre Opfer mit genauso viel Anteilnahme foltern und verstümmeln, wie sogenannte normale Menschen, die eine Weihnachtsgans tranchieren.«
    »Das beruhigt Sie?«
    »Psychopathie ist wie Sonnenstrahlung. Wenn man zu viel davon abbekommt, ist sie gefährlich, andererseits kann sie sehr produktiv sein und Wohlbefinden und Lebensqualität erhöhen. Schauen Sie sich moderne Unternehmen an. Niemand braucht Leute, die Nerven oder Seele haben. Psychopathen tun sich immer dort hervor, wo es dynamische Machtstrukturen gibt, die sie kontrollieren und manipulieren können.«
    »Das entschuldigt also alles.«
    »Nein, das tut es nicht. Ich habe gelesen, man habe in einer Studie festgestellt, dass Unternehmer, deren Persönlichkeitsprofil man mit tausend Insassen einer englischen Hochsicherheitspsychiatrie verglich, deren sogenannte kranke Eigenschaften sogar übertrafen.«
    »Welche waren das?«
    »Unaufrichtigkeit, manipulatives Verhalten, Egozentrik, Mangel an Empathie, Sturköpfigkeit und herrisches Auftreten. Sie sind Nachfahren der alten Krieger, die ohne Skrupel töteten, folterten und denen man anschließend einen Orden an die Brust heftete oder sie zu Stammesführern wählte. Soldaten in Sondereinheiten, Mann ... das sind funktionelle Psychopathen, oder?«
    Mark wartete.
    »Trennen Sie sich endlich von dem erlernten Bild, ein Psychopath könne keine Empathie empfinden, Doktor.«
    »Ich bin

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