Sei mein Moerder
ficken.«
Mark verharrte tonlos, dann sprang er auf. Seine Augen blitzten. »Wer sind Sie? Warum haben Sie mir das angetan?«
»Sie kennen mich nicht?«
»Ich kenne Ihre verdammten Briefe und Ihren Kussmund. Liebe Güte, wie kommt man auf so eine Idee? Und ich weiß, dass Sie oder einer Ihrer Handlanger meinen Vater getötet haben.«
»Ach ja, ihr Vater ...«, sagte sie versonnen.
»Also, wer sind Sie? Oder soll ich Sie gleich töten? Ohne, dass Sie Ihr Versprechen halten, mir alles zu erklären?«
»Freuen Sie sich darauf?«
»Was meinen Sie?«
»Darauf, mich zu töten.«
»Ja, das tue ich. Und ich werde es Ihnen nicht leicht machen.«
»Das taten Sie noch nie, Herr Rieger.«
»Ich weiß nicht, worauf Sie hinaus wollen.«
»Dann lassen Sie mich Ihnen eine kleine Geschichte erzählen. Setzen Sie sich hin, Doktor. Es dauert ein paar Minuten.«
Mark starrte sie an.
»Bitte setzen Sie sich. Es ist nicht einfach für mich, mit Ihnen zu reden, wenn Sie auf der Tischkante hocken und mich von oben herab anblicken. Lassen Sie uns doch wenigstens für ein paar Minuten auf gleicher Höhe sein. Meinen Sie, das gelingt Ihnen?«
Mark nickte.
»Und bitte machen Sie meine Hände frei. Während Sie mich fesselten, haben Sie mich durchsucht und keine Waffe gefunden. Glauben Sie mir, ich werde Ihnen nichts tun, denn ich will, dass Sie mich töten. Das ist mein völliger Ernst. Ich kann besser reden, wenn ich die Hände frei habe. Mit an den Stuhl gefesselten Füßen kann ich nicht weglaufen.«
Mark durchschnitt unwillig das Klebeband. Sie rieb sich die Handgelenke. Ihr Oberkörper klebte nach wie vor an der Stuhllehne. »Ja, man könnte Sie wirklich für einen richtig netten Kerl halten. Im Film sieht es so einfach aus, wenn man jemandem die Hände hinter dem Rücken bindet. Aber es tut weh. In der Schulter, in den Gelenken. Vor allen Dingen, wenn sie über eine Stuhllehne hängen. Ich danke Ihnen.«
»Also gut. Ich setze mich an den Tisch. Und ich werde Ihnen zuhören.«
Er stützte die Ellenbogen auf die Tischplatte und neigte aufmerksam den Kopf. Während sie redete, begann er zu schwitzen. Kalt lief es ihm über den Rücken. Sein Herz schlug unruhig. Er wusste nicht mehr, wohin er blicken sollte, denn Zorn und bittere Scham mischten sich.
Wenige Minuten später begriff er alles.
Und erinnerte sich gemeinsam mit ihr, mit seinem Opfer.
39
Es war vor ungefähr zwei Jahren gewesen.
Die Nacht war lang gewesen.
Er hatte sich mit Gabi gestritten, wie sie es so oft taten in letzter Zeit, doch diese Auseinandersetzung schmerzte besonders. Sie förderte Ungesagtes aus dem Sumpf der Erinnerung und jeder von ihnen versuchte, dem anderen so weh zu tun, wie es ging. Es war ein Vernichtungskampf, nach dem nichts mehr so sein würde wie zuvor.
Noch in dieser Nacht verließ Gabi ihn. Sie holte Marlies aus dem Bett, packte das Nötigste in einen Koffer und rief ein Taxi. Sie blickte nicht zurück.
Ein paar Tage später kehrte sie zurück. Sie sollte noch mehrmals weggehen, doch das wusste Mark damals noch nicht.
Sie hatten sich bis aufs Blut beleidigt und zurück blieben verbrannte Seelen, die sich von so etwas vielleicht nie wieder erholen würden und es auch nicht getan hatten.
Mark schloss die Tür und taumelte ins Wohnzimmer zurück, fiel auf die Couch und weinte. In dieser Nacht schlief er nicht, dafür entfachte er einen bitteren Zorn, auf Gabi, aber noch mehr auf sich selbst. Liebe Güte, er war Psychologe. Er kannte beide Seiten der Seele und noch viele Untiefen, die für gewöhnlich verstohlen schlummerten. Und doch war er in seiner Ehe nicht in der Lage gewesen, durchdacht, rational und empathisch zu handeln. Er fühlte sich wie ein Fahrlehrer, der selbst nicht Auto fahren konnte. Das war nicht ungewöhnlich. Er kannte manche Kollegen und Kolleginnen, die ihren Patienten oder Klienten beste Dienste leisteten, ihr Privatleben jedoch nicht meisterten.
Übermüdet, hilflos und verbittert ging er in seine Praxis.
Lilo Duncan, seine Sekretärin, las ihm die Termine vor. Heute standen zwei Gerichtsgutachten an.
Das erste Gutachten, es handelte sich um einen Mann Mitte sechzig, der sein Vergnügen darin fand, durch die Stadt zu gehen und bei besonders wertvollen Autos mit einem Messer den Lack zu zerkratzen, war schnell absolviert. Er war nicht in U-Haft genommen worden und der Verteidiger, der auf Depression plädierte, hatte das Gutachten veranlasst.
Danach war Mittagspause. Mark versuchte, Gabi
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