Sei mein Stern
aus dem es keinen Ausweg zu geben schien.
Mit Gewalt riss sie sich von ihm los, sprang kopflos aus dem Auto und spurtete auf den Hoteleingang zu.
„So warte doch, Jana!“, hörte sie kurz darauf seine Stimme neben sich. „Warum läufst du ständig vor mir davon?“
Abrupt bremste sie ab und reckte trotzig das Kinn in die Luft. „Hör zu, Simon! Du machst es mir nicht gerade leicht. Was hast du an dem Satz: ‚Ich benötige mehr Zeit‘ nicht verstanden?“ Sie wusste, dass es unfair war, diese Karte zu spielen, denn mit ihrem Verhalten im Kasino hatte sie ihm eindeutig signalisiert, dass sie bereit für ihn war. Doch Fair Play war in ihrem Leben schon lange nicht mehr angesagt.
Mit schlechtem Gewissen fuhr sie herum und rumpelte mit derartiger Wucht gegen die geschlossene Glastür, dass sie kurzzeitig Sternchen sah. „Verflucht, was soll denn das jetzt?“ Mit zittrigen Fingern rieb sie sich die schmerzende Stirn.
Da entriegelte sich die Eingangstür mit einem diskreten Klacken und fuhr wie von Zauberhand bewegt zur Seite. Jana richtete ihr Augenmerk wieder auf Simon und war versucht, ihn erneut zur Schnecke zu machen.
Dieser jedoch zuckte nur mit den Schultern. „Tut mir leid. Reine Sicherheitsmaßnahme. Die Türen verriegeln sich bei Gefahr von selbst. Anscheinend hast du sie mit den schnellen Schritten und der Gardinenpredigt, die du mir gehalten hast, in Aufruhr versetzt. Hast du dir wehgetan?“
Nein, bisher hatte ihr niemand wehgetan!
Das stand ihr vermutlich noch bevor. Schlagartig drehte sich alles in ihrem Kopf, ihre Gedanken überschlugen sich geradezu. Bilder von tanzenden Minibars, rasenden Staubsaugern und ausgelaugten Laufbändern jagten durch ihren Schädel. Dazwischen malträtierten zwei strahlend blaue Augen und ein paar sinnliche Lippen, die förmlich zum Küssen gemacht schienen, ihren Verstand. Eine Roulettescheibe torkelte durch ihren Kopf, solange bis der Boden unter Janas Füßen zu schwanken begann.
Ein verhaltenes Stöhnen entfloh ihrer Kehle. War sie zu fest mit dem Kopf gegen die Tür gestoßen oder löste der Mann neben ihr dieses Tohuwabohu in ihrem Inneren aus? Sie wusste es nicht, aber sie musste auf der Stelle hier weg.
Sie wirbelte herum und nahm die Beine in die Hand. Das Letzte, was sie sah, waren Günters fassungslose Blicke, die sie verfolgten, als sie wie ein gehetztes Kaninchen in den Aufzug stürzte. Selbst der Fahrstuhl schien ein Gespür für ihre Unruhe entwickelt zu haben und sauste im Eiltempo nach oben. Sie schaffte es gerade noch, sich am Geländer festzukrallen, sonst wäre sie zu Boden gegangen. Doch dem nicht genug: Während sie mit großen Schritten hinaushechtete, überkam sie das Gefühl, ein leises Kichern zu vernehmen.
Herrje! Sie war kurz davor, den Verstand zu verlieren.
Als sie sich Sekunden später schwer atmend von innen gegen ihre Zimmertür fallen ließ, wusste sie nur eins: Sie musste diesen Auftrag am nächsten Abend unter Dach und Fach bringen. Und zwar nicht, weil Carsten das forderte.
Sondern weil sie nicht den Hauch einer Ahnung hatte, wie lange sie Simon noch widerstehen konnte.
Kapitel 11
Mächtig unter Zugzwang stehend betrat Jana das Anwesen der Grafs im Münchner Nobelortsteil Grünwald. Eine hohe Mauer umgab das mit roten Klinkersteinen verkleidete Gebäude, das sich dezent hinter einem blühenden Kastanienbaum verbarg. Jana ließ ihren Blick über den gepflegten Rasen, das breite Garagentor und den runden Pool mit dem azurblauen Wasser fliegen, und erneut spukte der Gedanke in ihrem Kopf herum, dass hier ganz schön viel Knete im Spiel sein musste.
Das war wesentlich mehr Grundstück, als für eine Kleinfamilie vonnöten war. Die gesamte Anlage stank förmlich nach Geld. Nachlässigerweise hatte sie das Thema Finanzen im Laufe der letzten Tage jedoch samt und sonders aus den Augen verloren. Aber das hier konnte doch unmöglich ebenfalls von David Chesterfield finanziert worden sein.
Oder diente der Name David Chesterfield als Tarnung? Vielleicht existierte ja im Hintergrund ein geheimer Geldgeber, der für die Informationen, die Simon aus den Regierungs-und Geheimdienstcomputern herausfischte, ein hübsches Sümmchen springen ließ. Nach dem Telefonat mit ihrer Mutter hatte sie sich kurzzeitig von der Vorstellung gelöst, Simon könnte etwas auf dem Kerbholz haben, doch nun war ihr Misstrauen wieder genährt.
Ihrer verqueren Gedanken zum Trotz waren Valerie und Rafael komplett aus dem Häuschen vor Begeisterung
Weitere Kostenlose Bücher