Sei mein Stern
schossen. Konnte man statistisch berechnen, welche Zahl als Nächstes beim Roulette fallen würde? Oder war es möglich, die Geschwindigkeit der Kugel zu schätzen? Das war ihr noch nie zu Ohren gekommen. Außerdem hatte sie selbst die Ziffer ausgewählt und nicht Simon.
Nein, das musste alles ein riesengroßer Zufall sein. Argwöhnisch beäugte sie die Heerscharen von Chips, die sich vor ihr drängelten. Und hatte fast den Eindruck, sie würden sie hämisch angrinsen. „Setz mich! Verspiel mich!“, schienen ihr die verteufelten Scheibchen zuzurufen.
Gut, einverstanden! Die kleinen Biester hatten gewonnen. Sie war schließlich nicht hier, um mit einem immensen Gewinn nach Hause zu gehen. Sinn und Zweck des Besuches war, ihren Begleiter zu durchleuchten. Auch wenn ihr gerade schleierhaft war, was das alles bringen sollte.
„Okay, auf ein Neues!“, wagte sie den tollkühnen Vorstoß. „Ich setze fünfhundert.“ Sie fixierte Simon. „Aber du , als mein Talisman, gibst mir die Zahl vor.“
Er zuckte mit keiner Wimper. „In Ordnung.“ Funken der Herausforderung schienen in seinen Pupillen zu tanzen. „Hmm, wie alt bist du?“
„Ich? Äh, zweiunddreißig.“
Augenblicklich machte der Wagemut in seinen Augen Verwunderung Platz. „Wow!“, äußerte er mit eigenartigem Unterton. „Jetzt hast du mich aber eiskalt erwischt. Ich hätte niemals vermutet, dass du älter bist als ich.“
Jana verzog leicht das Gesicht. Na, danke schön für die Blumen! Sie war sich durchaus darüber im Klaren, dass sie nicht mehr die Jüngste war. Aber stieß ihn ihr Alter jetzt etwa vor den Kopf? Das Weibsstück, dessen Video er in seinem Rucksack mit sich herumtrug, war ja wohl weit darüber hinaus. „Sag bloß nicht, du hast ein Problem mit älteren Frauen?“, erkundigte sie sich mit lauerndem Unterton.
Er zog eine Augenbraue hoch und musterte sie für den Bruchteil einer Sekunde irritiert. Doch genauso schnell hatte er seine Fassung wiedererlangt und beugte sich zu ihr vor. „Ich habe definitiv kein Problem mit der Zahl zweiunddreißig“, flüsterte er gegen ihre Wange, was ihr erneut eine heftige Gänsehaut bescherte. „Im Gegenteil. Sie ist perfekt, so wie sie ist. Setz auf sie.“ Er rückte ein Stück von ihr ab, wobei seine Lippen scheinbar unabsichtlich ihr Ohrläppchen streiften. Von einem Moment auf den nächsten stand ihr ganzer Körper unter Strom.
Heilige Mutter Gottes! Was hatte er mit ihr vor?
Die Männlichkeit, die dieser Kerl ausstrahlte, legte sich um all ihre Sinne wie ein verlockender Duft, den sie tief inhalieren wollte. Und in diesem Moment begriff sie, dass er sich vollkommen darüber im Klaren war, was er mit ihr anstellte. Er wusste, dass sie scharf auf ihn war, und machte sich diese Schwäche schamlos zunutze. Wenn er ihr noch eine Nuance näher käme, würde sie sich ihm ungebremst an den Hals werfen. Sie war schließlich auch nur eine Frau.
Mit Müh und Not lenkte sie ihre Gedanken wieder zum Spieltisch zurück, nahm all ihren Mut zusammen und platzierte mit zittrigen Fingern einen nicht unbeachtlichen Teil der Chips auf dem Tableau. Dann atmete sie tief durch und fuhr mit einem Ruck zu Simon herum.
„Was ist?“, verlieh dieser seiner Überraschung Ausdruck.
„Ich kann nicht hinsehen.“ Die Aussage kam der Wahrheit ziemlich nahe, ohne das Geringste preiszugeben. Priorität Nummer eins war, Simons Mimik im Auge zu behalten.
Da fiel im Hintergrund der Satz: „Rien ne va plus!“
Ein hölzernes Klappern demonstrierte, dass die Kugel erneut in Bewegung gesetzt worden war. Die Augen starr auf Simons Gesicht gerichtet, wäre Jana in diesem Moment jede Wette eingegangen, dass die Kugel auf der Zweiunddreißig landen würde. Auch wenn es sich komplett ihrer Kenntnis entzog, wie dieser Mann das Unmögliche möglich machte. Und gesetzt den Fall, es gäbe Mittel und Wege der Berechnung, blieb die Frage, was in Dreiteufelsnamen das mit ihrem Alter zu tun hatte.
Ob eine Manipulation der Kugel durch elektrische Impulse oder Magnete möglich war? Dagegen müssten Kasinos doch eigentlich gewappnet sein. Aber vielleicht hatte Simon ja irgendeinen neuartigen Sender entwickelt. Gedankenverloren schweifte ihr Blick über seinen Körper. Er hatte die Hände lässig in den Hosentaschen vergraben.
Oje! Um die Wahrheit ans Licht zu bringen, müsste sie ihn eigentlich einer Leibesvisitation unterziehen. Was sie aller Voraussicht nach in ein sabberndes Bündel verwandeln würde. Und was sonst noch
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