Sei mein Stern
Als keine Sekunde später ein weiteres Geräusch die klare, warme Abendluft durchdrang, schoss Valerie hoch wie von der Tarantel gestochen. Ein leises Knurren, das in ein erbärmliches Jaulen überging, breitete sich bis in den letzten Winkel des weitläufigen Gartens aus. Sofort standen Jana sämtliche Nackenhaare zu Berge.
Unterdrückt vor sich hinfluchend sprang nun auch Rafael auf. Ruckzuck hatten sich die beiden ins Haus verkrümelt und überließen Jana und Simon sich selbst.
„Was war das denn?“, hakte Jana schließlich nach, da Simon die unüberhörbare Störung beharrlich zu ignorieren schien.
„Lilly“, befand er beiläufig.
Jana verzog das Gesicht. „Das weiß ich auch. Ich meine das Tier?“
Er legte den Kopf schräg und blickte sie mit erschreckender Intensität an. „Versprich mir, dass du nichts davon den Medien mitteilen wirst.“
Sie zuckte zusammen. Genauso gut hätte er ihr mitten ins Gesicht schlagen können. „Meine Güte! Für was für ein Monster hältst du mich eigentlich? Außerdem hast du mich in der Hand. Schon vergessen?“
Die untergehende Sonne legte einen leichten Rotschimmer auf Simons dunkle Locken und spiegelte sich in seinen glasklaren blauen Augen, die sie an zwei tiefe Seen erinnerten, in die sie sich am liebsten hätte bedenkenlos fallen lassen.
Den Blick unablässig auf sie geheftet, schien er ihre Vertrauenswürdigkeit abzuwägen. „Die beiden haben ein etwas ausgefallenes Haustier und leben in der ständigen Angst, jemand könnte daran Anstoß nehmen. Daher setzen sie es ungern der Öffentlichkeit aus“, offenbarte er letzten Endes.
Erleichterung durchflutete sie wie eine kühle Brise. „Deswegen das ganze Theater? Simon, ich liebe Tiere. Eher beiße ich mir die Zunge ab, bevor ich irgendeinem putzigen, flauschigen Wesen Schaden zufügen würde.“
Er blickte sie einen weiteren Moment lang nachdenklich an. „Also gut. Ich gebe ihnen Bescheid, dass sie Tristan herauslassen können. So wie ich ihn kenne, kommt er ansonsten eh nicht zur Ruhe. Hab keine Angst. Der Kleine krümmt keiner Menschenseele ein Haar.“
Janas Augen folgten ihm, als er ins Haus eilte. Was kam denn nun? Dem Knurren nach zu urteilen ein riesiger Hund, ein Wolf, ein Bär vielleicht. Ganz gleich, sie hatte schon immer ein Händchen für Tiere besessen. Gespannt nahm sie die Terrassentür ins Visier. Doch als schließlich etwas Braunes, Pelziges angeschossen kam, entfuhr ihr ein unkontrollierter Aufschrei.
Das gefüllte Rotweinglas rutschte ihr aus den erstarrten Fingern, und im Bruchteil einer Sekunde ergoss sich die purpurne Flüssigkeit unbarmherzig über ihre weißen Jeans, bis sie aussah, als wäre sie einem perversen Serienkiller in die Hände gefallen.
Entsetzt jagte sie hoch und glotzte das fellige Bärchen an, das etwa einen Meter vor ihr abrupt zum Stillstand kam und sie mit großen dunklen Kulleraugen vorwitzig anfunkelte. Es war etwas kleiner als seine gängigen schwarz-weißen Artgenossen.
Aber das half alles nichts!
Es war eindeutig ein Panda – und bei genauerem Hinsehen schimmerte sein braunes Fell in einem leichten Rotton. In diesem Moment stürzte Janas Welt in sich zusammen wie ein Kartenhaus.
Nun ging kein Weg mehr daran vorbei!
Da war er! Der hieb-und stichfeste Beweis, nach dem sie die ganze Zeit vergeblich Ausschau gehalten hatte. Blieb nur die Frage, welcher der beiden Brüder der gesuchte Hacker war? Denn nachdem sie Valerie mehrfach bei der Arbeit am Computer über die Schulter geblickt hatte, hatte sie diese getrost aussortiert. Aber sie musste ehrlich zu sich selbst sein. Ihr Unterbewusstsein hatte diese Entscheidung längst getroffen, auch wenn sie es weiß Gott nicht wahrhaben wollte.
„Tristan, um Himmels willen! Was hast du denn nun wieder angestellt?“, schreckte Valeries tadelnde Stimme sie aus ihrer Trance. Valerie eilte mit dem Baby auf dem Arm aus dem Haus und taxierte Jana irritiert von oben bis unten. „Oje, die schöne Hose“, stöhnte sie. „Komm rein, Jana, ich gebe dir etwas Trockenes zum Anziehen. Tristan, hör auf den Wein aufzuschlecken, sonst bist du wieder so knülle wie letztes Mal, als du Bowle geschlürft hast.“
Das Bärchen leistete der Aufforderung unverzüglich Folge und hüpfte zur Seite. Dann sackte es vor Jana auf die Hinterbeine und schmachtete sie mit seinen großen Puppenaugen an, wobei sein pelziges Stummelschwänzchen keck hin und her wippte.
Gott, war der Kleine süß!
Gerne hätte sie ihn gestreichelt, doch
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