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Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition)

Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition)

Titel: Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Jürgs
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machen.
    Wirklich nicht.
    Am Beispiel unzähliger und oft ungenießbarer Kochshows ist beweisbar, dass mit nur einer geglückten Zeugung – in dem Fall war Alfred Biolek Vater aller Töpfe – Dutzende von halb gar gekochten Bastarden in die Welt gesetzt werden können, TV-Surrogate wie Küchenschlachten, Restauranttester, Der Traum vom eigenen Restaurant, Fast Food Duell, Einsatz am Herd, Kochprofis, Kochen mit Kerner und Co., Perfektes Dinner, Promi-Dinner, wo am Ende warmes Essen ausgeteilt wird an alle, die außer ihrer unmittelbaren Verwandtschaft niemand kennt, geschweige denn jemand einladen würde. Heiteres würzt mitunter die Gerichte bei Lafer! Lichter! Lecker! im Nachmittagsprogramm des ZDF oder das,
was Markus Lanz freitagnachts im Zweiten anrichten lässt, was aber eher an seinem einnehmenden Wesen liegt.Vorkocher Johannes B. Kerner hat sich, weil er nicht blöde ist, aus der Küche geschlichen, bevor der Kundschaft alles gleich fad schmeckt und das nicht den Köchen, sondern ihm als Restaurantbetreiber angelastet wird.
    Dass allerdings der Hamburger Wirt Christian Rach, Besitzer eines anspruchsvollen Esslokals, mit seinen Restauranttests zum Liebling der Masse geworden ist, dass ihn bis zu sieben Millionen Zuschauer bei seinen Reisen durchs fetttriefende Deutschland begleiten, hat weder mit den üblichen TV-Verköstigungen noch mit ihm zu tun. Er ist keiner jener künstlich gezüchteten Helden der Unterschicht, er ist ein gebildeter Transmissionsriemen auf zwei Beinen. Bei ihm gibt es in Serie, fein abgeschmeckt vor jeder Ausstrahlung, im Bedarfsfall auch aufgewärmt, weil das Gericht laut Quote schon mal sehr gut schmeckte, allzu menschliche Tragödien des Alltags zu sehen.
    Rach vereint in seiner Person die aus verschiedenen Formaten beliebten Prototypen, spricht gleich vier, fünf verschiedene Zielgruppen an – Verschuldete,Verblödete,Verzweifelte, Geschmacklose, Hungrige. Mal ist der studierte Mathematiker Schuldenberater, falls sich bei einer Visite herausstellt, dass der Küchenchef nicht nur nicht kochen, sondern auch nicht rechnen kann und mit jedem verkauften Gericht dem Bankrott einen kleinen Schritt näher kommt. Mal nützt Rach sein Studium der Philosophie, wenn er als eine männliche Super Nanny einem dickleibigen Faulpelz erklärt, warum es wie im richtigen Leben auch in der Kneipe ohne Fleiß keinen Preis zu gewinnen gibt. Mal schlüpft er streng in die Rolle eines Inspektors vom Gesundheitsamt, wenn er verdreckte Küchen von erstarrten Saucen früherer Jahre frei schrubben lässt. Mal verordnet er eine radikale
Kneipenkur und gibt den stilsicheren Dekorateur, wenn er die Tischordnung so verändert, dass kein Gast mehr dem anderen das Essen auf den Teller spucken kann.
    Die meisten Nachmittagsprogramme im Ersten und im Zweiten und in den Dritten sind allenfalls tierisch unterhaltend. Gezeigt wird vom Tausendfüßler bis zum Elefanten alles, was in deutschen Zoos von Leipzig bis Gelsenkirchen kreucht und fleucht, aber auch alles, was da um sie herum keucht und flucht. Menschen dürfen mitspielen, weil die Tiere gepflegt, gefüttert, gestreichelt werden müssen. Oft braucht es bei den Sendungen, deren Überraschungsmomente inzwischen nur noch selten sind, jedoch Untertitel, weil sonst nicht auszumachen ist, ob die hörbaren Urlaute von einem Gorilla oder einem Pandabären stammen oder nur deshalb so unverständlich klingen, weil sich der zuständige Tierpfleger in einem Dialekt äußert, den außerhalb von Baden-Württemberg oder Sachsen sonst niemand versteht.
    Sobald es darum geht, zu definieren, was Unterhaltung bieten muss, um gut zu sein, fühlen sich viele zu Antworten berufen, denen keiner je Fragen gestellt hat und auch keiner Fragen stellen möchte, weil man ahnt, wie die Antworten ausfallen.Vor allem Rundfunkräte wollen ihre unmaßgebliche Meinung äußern. Weil sie schon mal im »Caesar’s« in Las Vegas waren oder im »Moulin Rouge« in Paris, sind sie überzeugt davon, aus dieser Erfahrung heraus mitreden zu dürfen. Man müsse es machen wie die Amerikaner oder die Franzosen.Wie denn?
    Irgendwie so eben.
    Eben.
    Erstens sind die Unterhaltungsformate aus dem Menschenzoo in den USA und in England und in Frankreich und besonders in Italien, wo Berlusconi das Niveau vorgibt, noch seichter als die laufenden in Deutschland, und zweitens
entzieht sich gut gemachte Unterhaltung landläufigen Definitionen. Wäre es anders, dürfte nicht nur jeder hergelaufene Blödmann

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