Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition)
Wesen. Also solchen Deutschen, wie es sie bis zur Befreiung durch die Alliierten vom Hitlerregime kaum noch gab.
Kann wenigstens in Ruhe hören, wer nichts Lautes sehen will? Die Auswahl an Rundfunkprogrammen ist doch riesig. Die Auswahl an Moderatoren jedoch nicht. Das fällt besonders bei den Öffentlich-Rechtlichen auf, in die man schaltet, um sich vor den Dummdödeln und Scherzkickserinnen der Privaten zu retten. Jeder Sender leistet sich zwar – noch? – ein Nischenprogramm, in dem das Wort regiert und nicht die blöden fröhlichen Sprüche von denen, die sich aus dem Wort nichts machen, weil sie auf dem Weg zur Arbeit wieder mal keine Wörter gefunden haben und vor den Mikrophonen sitzend es für eine Suche bereits zu spät ist, aber von morgens bis abends viele Worte ums Nichts flechten. In welcher Klitsche wurden die ausgebildet? War es ein Fernkurs? Wer nimmt denen nach ihren Sendungen gelegentlich das Brett vom Kopf und haut es ihnen auf denselben? Wer hat die mal engagiert, statt ihnen eine Ausbildung in einem für sie passenden Beruf zu empfehlen?
Heeren von Verblödeten stehen Scharen von mit Vernunft und Witz Begabten gegenüber. Sie treffen in der Realität aber nur selten aufeinander, weil den einen die Gewalt wesentlich und den anderen wesensfremd ist. Sie reden allenfalls bei nationalen Katastrophen wie dem zu frühen Ausscheiden bei einer Weltmeisterschaft im Fußball miteinander in einer gemeinsamen Sprache, denn ansonsten leben sie in getrennten Welten. Mit einem Grand Brie der Stars zwecks Kür eines Superstars ausgerechnet auf Arte und 3sat würden Brücken gebaut. Über sieben davon muss man bekanntlich gehen, bevor der helle Schein erstrahlt. Um in der Sprache derer zu bleiben, die für die Organisation eines Spektakels nötig sind, weil sie mit den verbalen Möglichkeiten der Kandidaten vertraut sind: Wie ließe sich aus dem Anspruch der einen und dem Trieb der anderen Honig saugen und Kohle für die Veranstalter ranschaffen?
Im geheimen Strategiepapier der für die entscheidende Schlacht einberufenen Fantasiebegabten stünde folgende irrwitzig gute Idee:Weil es seit der deutschen Einheit sechzehn Bundesländer gibt, kämen sechzehn Volks-Vertreter ins Finale. Um die Show im nötigen Glamour zu präsentieren und da Werbeblöcke zur Finanzierung nicht erlaubt sind aus den bekannten Gründen, reicht der TV-Etat nicht. Deshalb wären die Landeszentralen für politische Bildung und die Stiftungen der Parteien als Co-Sponsoren neben Hauptsponsor »Bild« mit von der Party.
Trefflicher könnten die Institutionen ihren politischen Auftrag nicht erfüllen und die ihnen dafür erteilten Steuergelder einsetzen, denn ihre eigentlichen Aktivitäten gehen am eigentlichen Ziel, die Dummen aufzuklären, vorbei. Immer dann, wenn sie einen deutenden Referenten zu bedeutenden Themen auftreten lassen, kommen hauptsächlich die zu ihren Veranstaltungen, die man nicht mehr überzeugen muss. Eine aufrüttelnde Philippika gegen Blöd-Formate wie Dschungelcamp oder Big Brother wird ja auch nicht in »Geo Wissen« veröffentlicht. Predigen macht nur dann so richtig Spaß, wenn die Kirche voll ist mit denen, die noch nie zuvor in einer Kirche waren.
Anders jetzt. Eine einmalige Chance. Millionen von Deutschen, viele an Politik desinteressierte Jugendliche, würden beispielsweise erfahren, dass es tatsächlich sechzehn Bundesländer gibt – Sach bloß, Mann! – und dass sie durch die Abgabe ihrer Stimme doch etwas bewirken könnten, und sei es in diesem Fall die Kür eines Superstars, der ihnen Hoffnung macht, auch mal einer zu werden. Genauso blöd wie sie, aber reich und berühmt.Vielleicht wären sie danach versucht, die Erfahrungen auch bei richtigen Wahlen einzusetzen.
Selbstverständlich würde vor Beginn der Show, die dem Niveau der Sender entsprechend von Roger Willemsen moderiert
werden müsste oder wenigstens von Elke Heidenreich, etwas Historisches als Thema angeboten. Das könnte ein Beitrag über Charles Darwin sein, weil der »The Survival of the Fittest«, das Überleben der am besten angepassten Lebewesen, in seiner Evolutionsgeschichte über die Entstehung der Arten begründet hat und damit so was wie ein erstes Handbuch verfasste für alle kommenden Wettbewerbe, auch für die Wahl eines Superstars.
Denkbar wäre auch ein Rückblick auf das Römische Reich und die am Tiber einst so beliebten Gladiatorenkämpfe. Auch da konnte am Ende nur einer gewinnen, weil die anderen entweder tot in der
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