Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition)
ZDF vor. Und natürlich hat auch sie recht, wenn sie das Fernsehen in Deutschland insgesamt in Schutz nimmt im Vergleich zu dem, was auf den als vorbildlich gerühmten Sendern der Vereinigten Staaten, Englands, Italiens, Spaniens so alles läuft. »Wir haben die vielfältigste und qualitativ stärkste Fernsehlandschaft weltweit. Es gibt wenige Länder, die das so anbieten«. Sind wir gar die Besten weltweit, oder gibt es außer uns doch noch einige wenige Bessere möchte man da verblüfft nachfragen. Lässt es aber, denn offensichtlich kann das so gesehen werden oder auch so. Anke Schäferkordt sieht das so. Das kommerzielle Fernsehen habe der deutschen Gesellschaft Vielfalt, Qualität und Wettbewerb gebracht.
Aha.
Auch ihr oberster Chef, Gerhard Zeiler, ebenfalls ein Studierter, in seinem Fall mit den Fächern Psychologie und Pädagogik als geisteswissenschaftlicher Gesprächspartner des verhinderten Philosophen Günter Struve vorstellbar, sieht die RTL-Group, die der Wiener leitet, längst auf Augenhöhe mit dem öffentlich-rechtlichen System. Er schämt sich nicht, dem Dschungelcamp »Kultaspekte« zu attestieren, statt einfach nur zuzugeben, dass dieses Format bei der werberelevanten Zielgruppe ein riesiger Erfolg ist und damit beiträgt zum 5,7-Milliarden-Umsatz der neunzigprozentigen Bertelsmann-Tochter. Ihr gehören 45 TV-Stationen und 33 Radiosender in elf Ländern. Sie erreicht mit ihren Erfolgsformaten sowohl die Gierigen bei allen möglichen Superstars-Ausscheidungen als auch die Wissbegierigen bei Wer wird Millionär? . In Krisenlagen der Nation schaffen es mehr denn je nur die Harten in die Gärten, und zu denen gehört Obergärtner Gerhard Zeiler.
Natürlich drückt er das gewählter aus. Etwa so, dass in
stressigen Zeiten wie den unseren stressfreie Unterhaltung ein Gebot vieler Stunden sei, die Menschen aufzuheitern. Er hat offenbar von Höherem den Auftrag, die Menschen glücklich zu machen und für ein paar Stunden von ihren alltäglichen Ängsten zu befreien. Besonders stolz ist er darauf, dass RTL bei den jungen Zuschauern seit Jahren schon die Nummer eins ist. Da Zeiler – wie auch Struve – nicht blöde ist, wird er es andererseits nicht für Zufall halten, dass insgesamt die Zahl junger Blöder, die von RTL bedient werden, im gleichen Maße angewachsen ist. Allerdings nie zugeben.
Nur ProSieben hat keine Probleme damit, seine Inhalte zu verteidigen.Weil der Sender von Finanzinvestoren geleitet wird, ist es denen völlig wurscht, womit sie die Rendite steigern. Sie sehen Erklärungsbedarf nur ihren Aktionären gegenüber. Alle anderen Anstalten, ob nun privat oder öffentlich-rechtlich, haben zumindest ein Bewusstsein für das, was sie tun. Dies Sendungsbewusstsein zu nennen wäre zwar zu hoch gegriffen, doch wenigstens machen sie bewusst das, was sie für ihre Zielgruppe für sinnvoll halten.
Es ist am Ende deshalb wohl doch sinnlos, den Gärtnern der Seichtgebiete vorzuwerfen, was durch das kommerzielle Fernsehen und die sich ihm anpassenden öffentlich-rechtlichen Anstalten sowie die ihnen anhaltend hinterherhechelnde gedruckte Konkurrenz alles untergegangen ist: Niveau. Anspruch. Diskursfähigkeit. Kurzum: Kultur. Für eine solche These gibt es keine wasserdichten relevanten Statistiken und Quoten, nur Anschauungsmaterial.
Das lässt sich nachlesen, lässt sich sehen, ist anschaulich, versendet oder gedruckt, immer dann, wenn sich Leute heute, Hallo Boulevard, Deutschland exklusiv, Explosiv,Taff treffen.Weil Kinder unter zwölf nicht zugelassen sind, schon deshalb, um sie vor dem Anblick der Anwesenden zu schützen, ruft niemand: Schaut mal, die sind ja alle nackt.
Denn auch so was kommt von so was.
Was?
Dass Blödmacher als gesellschafsfähig gelten, nur weil sie sich auf gesellschaftlichen Veranstaltungen treffen.
KAPITEL IX
Nicht gesellschaftsfähig
F alls ein Friseur auf Glatzen Locken wickeln kann, muss es sich um einen Magier handeln. Falls ein Friseur vor der Premiere des Films Hilde eine blonde Locke aus der Tasche zieht, die ihm angeblich Hildegard Knef zu treuen Händen hinterlassen hat, ist es Udo Walz. Der Mann, der auf dem roten Teppich in die Kameras strahlt, ist allerdings kein x-beliebiger Berliner Frisör, sondern als Friseur ein allseits beliebter Berliner. Den Ruf, unter deutschen Haarstilisten der Beste zu sein, hat er sich verdient und verdient wohl auch gut dabei.Walz gilt allein schon wegen seiner berufsbedingt notwendigen Nähe zu
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