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Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition)

Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition)

Titel: Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Jürgs
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allzu menschlichen Bartergeschäften, was sie hatten, gegen das, was sie wollten. Die einen boten Sex, die anderen Geld. Così fan tutte.
    Inzwischen aber gehört selbst da bereits dazu, wer neben Daisy bei Rudolph Mooshammers Beerdigung in der ersten Reihe saß oder beim Bussi-Bussi mit einer entsorgten Ex-Freundin eines Ex-Torwarts abgelichtet worden ist oder bei dem sich die Spuren eines nicht ganz geglückten Liftings beim Oktoberfest in den erhobenen Maßkrügen spiegeln, wo vergessene Prominente vorübergehend resozialisiert werden. Falls es nicht mehr reicht für ein Foto in der »Bunten« oder in »Gala« und nicht mal mehr für »Brisant« und »Bild«, bleiben immer noch die Einfältigen der Yellowpress. Die nehmen alles. Hauptsache billig.
    Manchmal treibt es unter Föhneinfluss sogar die »Bunte« zu bunt und unterbietet das eigene Niveau. Zwei ausgewachsene Sumpfblüten wurden nicht etwa als sonnenbankgebräunte Prolos vorgeführt, was sie tatsächlich sind, und verbal in die Tonne getreten, wo sie tatsächlich hingehören, oder besser noch einfach übersehen, sondern als Leute der Woche präsentiert. Auf einem halbseitig gedruckten bunten Foto überreicht ein Bordellbesitzer aus Pforzheim einem ehemaligen Saunabetreiber aus dem Linksrheinischen einen Scheck über sechs Millionen Dollar.
    Es handelte sich um Vater und Sohn.
    Zumindest auf dem Papier.
    Der Vater wurde geboren als Hans-Robert Lichtenberg, ließ sich einst gegen entsprechendes Entgelt adoptieren von Marie Auguste Prinzessin von Anhalt und darf sich seitdem Frederic von Anhalt nennen. Im Nebenberuf ist er der Gatte von Zsa Zsa Gabor, 92, die angeblich noch lebt. Das in Kalifornien
ansässige Ehepaar adoptierte vor ein paar Jahren, als es knapp bei Kasse war, den ehemaligen Schweineschlächter und späteren Puffbesitzer Marcus Eberhardt, der seitdem Zsa Zsa Gabor Mama und sich Prinz Marcus von Anhalt nennen darf und passend zum Niveau auch bei Mario Barth eingeladen wird.
    Adel vernichtet.
    Adel verpflichtet.
    Als Sohn erfuhr, dass Papa in Not war, flog er nach Los Angeles, und dabei wechselte jener Scheck, als ausgefüllter Pappkamerad von den Anhalts fürs Foto symbolisch hochgehalten, den Besitzer. »Bunte«-Originalton: »›Als Marcus hörte, wie schlecht es uns geht und dass wir kein Geld mehr haben, ist er sofort hergeflogen und hat uns einen Scheck über sechs Millionen geschenkt‹, erzählt Anhalt erleichtert. Und weiter: Marcus ist ein wirklich guter Junge. Ein Sohn, wie man ihn sich nur wünschen kann.«
    Dann doch lieber arm und gesund.
    So wie die meisten Deutschen in der ehemaligen DDR. Da haben sich übrig gebliebene Proletarier aller fünf neuen Länder mit den nach der Zeitenwende aus dem Westen Zugezogenen verbündet und eine höchst eigenartige Gesellschaft etabliert. Die Berichte über ihre Vergnügungen sind so bieder wie ihre Vergnügungen, also passend. Eine einheimische ostdeutsche ist innerhalb der gesamtdeutschen Gesellschaft nicht mehr als eine regionale Randgruppe, eine Fortsetzung der einstigen Nischengesellschaft unter anderen Vorzeichen, aufgemischt durch bessergestellte Wessis, die sich aber den Ossis angepasst haben.
    Nur in Berlin trafen Selbstgewisse aus dem Westen auf noch Ungewisse aus dem Osten. Der Reiz der Neuen zog beide magisch an. Anfangs fanden sie sich deshalb exotisch und aufregend. Das hat sich, wie auch die allgemeine
Einheitseuphorie, längst gegeben. Nach zwanzigjähriger Ehe gehen sie inzwischen leidenschaftslos miteinander um und aus. So verschieden sind sie nämlich im Grunde gar nicht. Klassisch geschichtete Gesellschaft gab es weder hüben noch drüben. In beiden Teilen waren, im Osten aus ideologischen Gründen, im Westen aus frontstädtischem Gemeinschaftsgefühl heraus, die Grenzen zwischen den Klassen bereits vor der gewonnenen Einheit aufgehoben worden. Ausgerechnet der Mangel machte sie gleich. Für eine heterogene Bürgergesellschaft fehlte beiden Wesentliches: Es fehlten die Bürger, deshalb war ihnen gesellschaftlich alles gleichgültig.
    In den einst als Biotopen des Geistes gerühmten Berliner Salons empfingen die klassisch gebildeten deutschen Bürger jüdischen Glaubens ihre christlichen Gäste aus dem Bürgertum und waren selbstverständlich auch bei denen zu entsprechenden Anlässen gern gesehen. In den Salons traf sich die politische und kulturelle Elite zu unfrisierten Gedanken. Die Musen, besonders die in der Weltstadt Berlin so wunderbar leichten, wurden liebend

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