Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition)
seine Neue triple A ist, war Anfang 2009 der niedersächsische Finanzdienstleister Carsten Maschmeyer.
Das ist der mit dem Schnauzbart.
Der einst als König der Klinkenputzer und Chef einer überregional agierenden Drückerkolonne bewunderte Selfmademan war bislang nur als Freund des Altbundeskanzlers und als leidenschaftlicher Liebhaber der Farbe Lila in Erscheinung getreten. Es fügte sich, von einem gütigen Schicksal gesteuert, dass an der Seite der viel beschäftigten Schauspielerin Veronica Ferres, die als Mutter der Nation die Nachfolge von Inge Meysel angetreten hat, ein Platz frei wurde. Ihr Gatte, der auf den allerersten Blick oft mit Justus Frantz verwechselt wurde, was man dem aber nicht anlasten sollte, war in Freundschaft von ihr geschieden.
Das musste auch der mit dem Schnauzbart und der lilafarbenen Krawatte im fernen Hannover erfahren haben. Weil er ein Privatflugzeug besitzt, bot er ihr, flugs ihr zufliegend, seine Minnedienste an. Man fand sich. Ihre Präsenz bereichert ihn, so wurde er gesellschaftsfähig auf vielen natürlich bunten Seiten und ist fortan nicht mehr nur der Reiche aus Dingsda an der Leine. Die Gesellschaft hatte mal wieder ein richtig schönes, vorzeigbares Alphatierchenpaar. Perfekt inszeniert wurde die Show von seinem Kommunikationschef, dem gebildeten, gut erzogenen Profi Bela Anda, der früher für Schröder und noch viel früher für »Bild« tätig war.
Zur Kategorie A gehören Stars aus Film und Fernsehen,
und bei denen, selbst den deutschen, wird es richtig teuer, sobald sie vorgeben, Besseres vorzuhaben. Diese Klasse konnten sich bis Ende 2008, als die Krise auch Post und Telekom und Daimler und VW beutelte, nur die in ihrer Branche gleichfalls Großen leisten. Inzwischen sind viele Medien- und Wirtschaftsevents, bei denen sich vor Kurzem noch A und B ein Stelldichein gaben und C und D nur dann als Dekoration eingeladen wurden, wenn sie jung, weiblich, sexy, solo waren, aus Geldmangel abgesagt oder gestrichen worden. Es wäre bei der gebeutelten Kundschaft nicht gut angekommen, hätte die Deutsche Bahn zu einem kulinarischen Daten- und Gedankenaustausch nach Berlin gebeten oder die Commerzbank zu einem Abend der Aktien-Jongleure in Frankfurt.
Im Frühjahr 2009 sollen deshalb in vielen Großstädten, hauptsächlich bei »Borchardt« in Berlin, bereits Promis gesehen worden sein, die ihre Speisen und Getränke, sichtlich schwer getroffen, selbst bezahlen mussten, obwohl sie jüngst noch als gesellschaftlich relevant bei freier Kost auf diversen Gästelisten standen. In jenen Zeiten, die nie wiederkommen dürften, hatten sogar Stefan Effenberg und Claudia Ex-Strunz, Hera Lind oder Sandy Meyer-Wölden, C-Klasse also, noch einen Marktwert, den Mario Barth ziemlich geil nennen würde. Der des ehemaligen Fußballtigers Effenberg war gesunken, nachdem eine Dokusoap bei RTL – wo auch sonst? – unter dem Titel Effenbergs Heimspiel über sein alltägliches Leben mit Gattin Claudia sogar von der avisierten Zielgruppe der Blöden quotenmäßig versenkt worden war. Seinen gestreckten Mittelfinger auf dem Platz haben seine Fans so gern gesehen wie seine prolligen Ausbrüche während eines Spiels, weil ihnen ungezügeltes schlechtes Benehmen aus dem eigenen Alltag vertraut war.
Aber seit sein A-Quotient den ihren überstieg, schalteten
sie ab. Selbst die Behauptung des friesischen Gentlemans Otto Waalkes, er habe früher mal die blonde Effenberg-Frau Claudia »gerüsselt«, was die Gemeinde so verstand, wie es Ex-König Otto gemeint hatte, half der Seifenoper nicht mehr in die Spur des Erfolgs.
RTL-Gärtner hatten schlicht die falschen Pflänzchen gehegt. Das kann passieren. Sie hätten sich um ein anderes Prolo-Paar bemühen sollen, das ideal ist für die Seichtgebiete – Volksmusik-Ikone Heino, das ist der mit der dunklen Brille (69), und Gattin Hannelore, das ist die helle Blonde (65). Bei denen ist auch im hohen Alter was los, da wackelt nicht nur die Heide, da ist nicht nur die Haselnuss schwarzbraun, da wird nicht nur der Mund voll genommen, da sind nicht nur ein paar Schrauben locker. Dreimal pro Woche schlafe er mit seiner Frau, verkündete Heino in »Bild« – wo auch sonst? -, was bei den 60-plus-x-Unterschichtlern umgehend häusliche Debatten auslöste. Bevor sie beim Blick in den Spiegel zu einem endgültigen Urteil darüber kamen, ob ein solches Treiben beispielhafter Segen sei oder angesichts ihrer hängenden, einst Lust spendenden Vorgärten doch eher ein
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