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Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition)

Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition)

Titel: Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Jürgs
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freie Prominente, sind auch Drittklassige erste Wahl. Falls zu seinem Fest nicht mal die kämen, würden die Gesellschaftsreporterin und die Fotografen von »Bunte« oder »Bild« oder »Gala« oder »Super Illu« ebenfalls seiner Party fernbleiben, statt den jeweiligen Paten beim Küsschen mit Promis abzulichten oder ihn zu befragen, ob er sein Handicap beim Golf entscheidend verbessert hat. Ohne die Gliederchen vom Ende der gesellschaftlichen Kette hätten selbst Leserinnen der Knallpresse kein Interesse an den Auftritten eines Printenproduzenten aus Aachen, eines Airliners aus Berlin, eines Schnapsfabrikanten aus Dingsda.
    Sollten die Hugos, Dirks, Sonjas, Michelles nicht freiwillig erscheinen, weil sie es trotz freier Kost und Logis ablehnen, in Kassel oder Kiel zu übernachten, ist fürs Auftreten der bei Eventmanagern in den Kategorien A, B, C, D gelisteten Prominenten je nach Bekanntheitsgrad ein vierstelliges oder fünfstelliges Honorar eingeplant. Das nehmen sogar ehemalige hohe Politiker gern als Zubrot zu ihrer Pension mit nach Hause. Diskretion Ehrensache. In diesen Kreisen wird über Geld nicht mal dann gesprochen, wenn die vereinbarte
Summe auf dem Konto eingegangen ist oder bei einem der Ihren die Steuerfahndung vor der Tür steht.
    Natürlich verhandeln die Begehrten nicht selbst über die Honorare für ihre Auftritte. Das würde sich herumsprechen und ihren Preis mindern. Für Profanes gibt es, im gleichen Maße in ihrer Anzahl gewachsen, wie sich die Gesellschaft zunehmend aus Seichtgebieten rekrutierte, vermittelnde Agenten. Die nehmen für ihre Dienste zwischen 15 und 20 Prozent vom Antrittshonorar und sich selbst wichtig. Sie sind die Mitesser bei Tisch, ohne eigenes Gedeck und ohne anwesend zu sein. In diesem Geschäft, aufteilbar in buchund bezahlbare, streng gesellschaftlich betrachtet aber irrelevante Klassen, tummeln sich nicht nur die Robertos, die Loddars, die Ginas, die Dollys oder alle, die mit Nachnamen Siegel heißen, egal, ob Ralf, Giulia oder Dagmar. Es gehören dazu alle möglichen Beckers – die allerdings sind teuer -, es gehören dazu TV-Moderatoren, und zwar alle, nicht nur die guten, es gehören dazu Jenny Elvers-Elbertzhagen und Uschi Glas und überregional die kreischende Nervensäge Verona Feldbusch. Die jedoch bis auf Weiteres nicht geholfen wird. Ihr Mann Franjo Pooth muss zu Hause bleiben. Der Gegelte verbreitet seit seiner Pleite ein gewisses Rüchlein, und das sollte sich erst verzogen haben, bevor auch er wieder auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten seinen Duft verbreiten darf.
    Der Einwand, dieser Text beruhe bis hierhin doch auf einer ziemlich mürrischen und lustfeindlichen Betrachtungsweise, weil ein glamouröser Auftrieb der Schönen, Reichen, Abgetakelten, Aufgetakelten, Mächtigen, Ohnmächtigen auch einfach nur gelassen-heiter als Beispiel für eine tolerante Gesellschaft betrachtet werden könne und nicht nur als Zeichen eines gesellschaftlichen Niedergangs, ist berechtigt. Manchmal wächst aus Wehmut eben unbewusst doch
Wut. Angeberisch wäre es, weil es einen kleinen gebildeten Fuß macht, John Updike zu zitieren, der in seinem letzten Roman, »Die Witwen von Eastwick«, dieser Art von Society attestierte, den »Talmiglanz des Spießbürgertums beim Spielen auszustrahlen«. Natürlich meinte er aus eigener Anschauung und eigenem Erleben die amerikanischen Spießergesellen, nicht die deutschen. Aber ihr genetischer Code passt.
    Ebenfalls berechtigt ist der Einwand, dass die Ärmsten der Armen noch ärmer dran wären, wenn es bestimmte spießige Feste nicht gäbe. Oft wird dabei für einen guten Zweck gefeiert, alle Einnahmen, abzüglich Speisen, Getränke, Aufwandsentschädigungen, bekommen dann diverse soziale Einrichtungen, die auf Spenden der Begüterten angewiesen sind, am liebsten Kinder und noch lieber die in der Dritten Welt. Ein Event für die Deutsche Alzheimer-Gesellschaft käme bei der Klientel nicht so gut an. Kann man getrost vergessen.
    Veranstaltet werden Gutmenschen-Treffen von Damen der besseren Gesellschaft, deren Gatten erstens froh sind, dass die eine sinnvolle Beschäftigung gefunden haben, und die zweitens aus gegebenem Anlass gern die sehen, von denen sie schon so viel gehört und gelesen haben. Es handelt sich dabei um eine Gruppe von Frauen, hinter deren Namen bei Vor-Nach-Zwischenberichten in einschlägigen Journalen in Klammern Charity-Lady steht. Etwa so, wie bei anderen in dem Zusammenhang Genannten in Klammern deren Beruf

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