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Seidene Küsse

Seidene Küsse

Titel: Seidene Küsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Leheta
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war Tom anstatt zu ihr, einfach allein in die entgegengesetzte Richtung zu seiner Verwandtschaft gefahren, obwohl Laila diese Familientreffen liebte und gern dabei gewesen wäre. Aber die Frage, ob sie auch kommen wolle, hatte er nie gestellt.
    Das sich wiederholende Muster war Laila irgendwann so vertraut gewesen, dass sie sich nicht gewundert hatte, als auch bei Toms letzter Geschäftsreise nach drei Tagen Funkstille der obligatorische nächtliche Anruf gekommen war.
    Doch diesmal hatte er keine Erklärung verlauten lassen. »Ich komme nicht zurück«, war Toms müde und lakonische Ansage gewesen. Weiter nichts. Laila hatte keine Fragen gestellt, weil sie die Antworten nicht hatte hören wollen. Der Schock hatte sie vollkommen ruhig werden lassen. Mit dieser Eigenschaft wäre sie ein guter Notarzt geworden.
    »Ich werde dir rechtzeitig mitteilen, wann ich bereit dazu bin, dich wieder zu sehen. Per SMS. Ich bitte dich, diesen Termin dann möglich zu machen und einzuhalten.« Zu mehr war sie nicht fähig gewesen.
    Tom kam auf sie zu. Er schien Laila unverändert. Dieselbe Kleidung, derselbe Dreitagebart, dieselbe konstant gestresste Aura, die altbekannte Gleichgültigkeit. Wie war das möglich?
    Er sah an ihr vorbei und begrüßte sie mit »Hallo Laila« in einem sachlichen Ton. Das war neu. »Mein Herz«, wie er sie immer genannt hatte, war jetzt wohl anderweitig besetzt.
    »Hallo«, hauchte Laila rau zurück, als Tom nur kurz ihre Wange mit den Lippen streifte, mit geschäftigem Schritt an ihr vorbei ins Wohnzimmer ging und sich breitbeinig in einen der beiden Lounge-Sessel pflanzte.
    »Klar!«, dachte Laila. Dieser Sessel hatte schon Toms Konturen angenommen. Er war bei all ihren nächtlichen Diskussionen sein Fort, seine Bastion gegen ihre verbalen Attacken gewesen. Auch so ein Muster.
    Wenn Tom so berechenbar war, warum war Laila dann so ahnungslos, wie sie ihn glücklich machen konnte?
    Nächster Schritt eines eingespielten Rituals: Tom hatte nüchtern bleiben wollen, doch als Laila ihm den tiefroten spanischen Wein eingoss, leerte er das Glas in einem Zug und schenkte sich gleich selbst nach, füllte das Glas fast bis zum Rand.
    Es duftete nach ihren Lieblings-Räucherstäbchen, leise lief im Hintergrund
ihr
spanisches Lied im
repeat-Modus.
Laila hatte lange überlegt, ob sie derartige Geschütze auffahren sollte und sich dann gesagt: »Ich habe doch schon alles verloren. Schaden kann es also nicht.«
    Anmutig setzte sie sich ihm gegenüber und ließ ihr schönes Gesicht und den knallrot geschminkten Mund auf Tom wirken. Doch er vermied weiterhin, sie anzusehen, blickte sich im stimmungsvoll beleuchteten Raum um, als suche er etwas. Er zündete sich eine Zigarette an und nahm noch einen großen Schluck Rotwein. Laila hatte sich immer schon gewundert, wie er so gierig sein und gleichzeitig so genießen konnte.
    Beide schwiegen.
    Eine neue Marke, bemerkte Laila. Toms Handy piepste und riss ihn aus seiner ungewohnten Wortlosigkeit. Ent gegen seiner sonstigen Art las er die SMS nicht sofort. Laila war sich sicher, dass er wusste, von wem sie war.
    Sie wusste es auch.
    Tom kam gleich zur Sache. »Ich bin nur da, um mich zu verabschieden.« Er machte eine Pause, nahm einen Zug von seiner Zigarette. Laila sah ihn ruhig und aufmerksam an. Er senkte den Blick und sagte achselzuckend: »Liebe kann man nicht erzwingen. Ich habe mich in eine andere verliebt.«
    »Ich weiß«, war Lailas sachliche Antwort.
    »Da kann man ja nichts dagegen tun, oder? That’s life in the big city«, sagte er, es war sein Lieblings-Macho-Spruch, aber dabei ging sein Atem schneller. »Wo die Liebe hinfällt«, sagte er dann und gab hastig weitere, ganz ähnliche Plattitüden zum Besten.
    Laila blieb ganz cool. Alle Tränen waren geweint. Und ihr Silvester-Vorsatz, dem bisherigen Leben unbedingt ein Ende zu machen, wollte sofort in die Tat umgesetzt werden.
    »O.k.«, unterbrach sie seinen Redeschwall mit fester Stimme. »Ich bin ja nicht blöd.«
    »Nein, das bist du wahrlich nicht«, erwiderte Tom und sah ihr nun endlich in die Augen. Unsicher.
    »Ich denke, du bist es mir schuldig, dass ich mir selbst ein Bild von ihr machen kann. Um zu begreifen«, sagte Laila nüchtern.
    Das verblüffte Tom. »Ich … ich dachte …, du würdest schreien.« Es klang so, als hätte er sich das gewünscht. Laila lächelte spöttisch.
    »… oder mit Sachen um dich werfen.«
    »Wann habe ich das je getan?«, fragte Laila ruhig.
    »Na ja … Mir eine Szene

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