Seidene Küsse
indiskreten Bli cken und wurden dort nach dem Schichtwechsel der Kellner einfach vergessen wie ein stehen gelassener Regenschirm. Die Feststellung, eingeschlossen worden und somit gezwungen zu sein, eine ganze Nacht mit Antonio verbringen zu müssen – nein, zu dürfen -, jagte Patrizia neue wollüstige Wogen durch den Körper.
Natürlich wäre das Letzte, was sie gebrauchen könnte, eine Verhaftung wegen Hausfriedensbruchs. Natürlich hatte sie Angst. Aber gleichzeitig belustigte sie die Vorstellung enorm, sie säße auf der Wache, hätte nur einen Anruf frei und müsste sich von Olaf freikaufen lassen. Antonio – sichtlich routinierter im Umgang mit den Auswirkungen der weißen Glückspille – ermahnte sie streng, sich still zu verhalten, um nur ja keinen Alarm auszulösen. Artig hielt Patrizia den Atem an.
Und als Antonio sie mit diesem gewissen Blick ansah, war ihr Hirn nur noch zermanschte Tiramisu-Masse.
»Patrizia, du musst mit mir zu Mittag essen. Ohne dich wird es mir nie wieder schmecken«, verkündete Antonio, als sie am nächsten Morgen wieder sicher vor dem Kaufhaus standen. Ohne ihr diese Verabredung abzuringen, hätte er sie niemals gehen lassen.
Wie wundervoll melodramatisch sie doch sind, diese Italiener.
Mit dem beruhigenden Wissen, ihn in Kürze wieder zu sehen, zu spüren, zu riechen, zu schmecken, verabschiedete sich Patrizia sehr beschwingt von ihrem Latin Lover.
Den sonst so vertrauten Geruch, der sie beim Betreten ihrer Wohnung empfing, empfand sie nun als unangenehm. Ganz fremd waren ihr die wohlbekannten Möbel, fast, als hätte sie in ein Hotelzimmer eingecheckt. Orientierungslos schritt sie alle Räume ab, als befände sie sich zum ersten Mal hier und müsste sich diesen Ort erst zu eigen machen.
Dann erst war sie in der Lage, sich auszuziehen, stopfte die getragene Kleidung aber nicht wie sonst sofort in den Wäschekorb. Bevor sie ihr Kleid außen an den Kleiderschrank hängte, musste sie die Nase in dem fließenden Stoff vergraben, einen tiefen Atemzug nehmen von Antonios unverwechselbarem Duft, der sich für immer in ihre Erinnerung eingebrannt hatte. In dem verführerischen Spitzen-BH und den neckischen durchsichtigen
French Knickers
aus rosefarben schimmernder Seide betrachtete sie sich angetan im Spiegel, keinen Gedanken daran verschwendend, ob Olaf diese Wäsche zu frivol finden könnte. Denn schon bei der Anprobe hatte sie die Vorstellung erregt, die von Antonio gekaufte Wäsche in ihrer Hochzeitsnacht mit Olaf zu tragen.
Sorgfältig, als dekoriere sie ein Schaufenster, drapierte sie die abgelegten Kleidungsstücke auf einem Stuhl im Schlafzimmer und tapste splitternackt auf Zehenspitzen ins Bad. Sie wählte an der Dusche den extra heißen und harten Massagestrahl aus und stellte sich erst dann darunter, als eine undurchsichtige Dampfwolke bereits das Bad vernebelt hatte. Trotz der Hitze, die sich draußen schon des Tages bemächtigt hatte, machte ihr das heiße Wasser nichts aus. Niemals zuvor hatte ihr Körper derart ambivalente Signale gesendet. So taub ihre Nervenenden gegenüber der unnatürlich hohen Wassertemperatur und den lästigen Alltagsgeräuschen waren, so überaus empfindlich reagierten sie auf Berührungen, selbst ihre eigenen.
Die Erlebnisse der letzten Stunden (Ja, wie viele eigentlich? Sie besaß kein Zeitempfinden mehr, ihre Uhr war lange stehengeblieben) waren intensiver als alles gewesen, was Patrizia je an zwischenmenschlichem Kontakt erlebt hatte. An ihre Geburt hatte sie keinerlei Erinnerung, dachte sie, aber sie hatte sich vorgenommen, mal eine Rückführungshypnose machen zu lassen.
Einige Minuten ließ sie einfach nur reglos den Wasserfall auf sich herunterprasseln, um dann wie in Trance ihr gewohntes Waschritual zu vollziehen. Es war, als wüsche sie jemand anderen. Nicht hier in ihrem modernen Münchener Badezimmer, nein, in einem dampfenden irdenen Tropfsteinbecken, in das kochende Wogen aus einem pulsierenden Geysir sprudelten. Heiße, unvorstellbar weiche, unglaublich glatte Haut empfing dankbar den milchzarten Sauberschaum, während ihr limbisches System Impressionen der vergangenen Nacht wie Zutaten eines Teiges daruntermengte.
Dies sind die Schenkel, dievon Antonios feinen, langen, trockenen Fingern gestreichelt wurden. Dies ist die Brust, die von Antonios Lippen zärtlich liebkost wurde. Dies ist die Brustwarze, die von Antonio nass geküsst wurde. Dies ist der Venushügel, den Antonios Bauch heiß gerieben hat. Dies sind die
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