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Seidenfächer

Titel: Seidenfächer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L See
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war und nun davontrieb. Ich widmete mich weiter meinem Reistopf.
    Als ich am nächsten Morgen nach unten kam, schien es, als hätte sich etwas verändert. Yonggang und zwei weitere Dienstmädchen waren zurückgekehrt. Sie putzten die Küche und füllten das Feuerholz auf. Yonggang erzählte mir, dass Dritte Schwägerin früher an diesem Morgen tot aufgefunden worden war. Sie hatte sich umgebracht, indem sie Lauge geschluckt hatte. Ich frage mich oft, was geschehen wäre, wenn sie noch ein paar Stunden gewartet hätte, denn um die Mittagszeit bekam meine Schwiegermutter Fieber. Sie musste in der Nacht zuvor, als sie so grausam gewesen war, bereits krank gewesen sein.
    Nun musste ich eine schreckliche Entscheidung treffen. Ich hatte meine Kinder in meinem Zimmer vor allem beschützt, aber als Gattin meines Mannes war es meine oberste Pflicht, seinen Eltern zu Diensten zu sein. Das hieß nicht nur, dass ich ihnen morgens Tee brachte, ihnen die Wäsche wusch oder ihre Kritik lächelnd akzeptierte. Ihnen zu dienen bedeutete, dass ich sie mehr als alle anderen achtete – mehr als meine Eltern, meinen Ehemann, meine Kinder. Jetzt, wo mein Mann weg war, musste ich meine Angst vor der Krankheit vergessen, alle Gefühle für meine Kinder aus meinem Herzen verbannen und das Richtige tun. Tat ich das nicht und meine Schwiegermutter starb, wäre meine Schande zu groß gewesen.
    Doch ich ließ meine Kinder nicht einfach im Stich. Meine anderen Schwägerinnen waren mit ihren eigenen Kindern in ihren Zimmern. Ich wusste nicht, was dort hinter geschlossenen Türen vor sich ging. Vielleicht waren sie bereits erkrankt.
Vielleicht waren sie schon tot. Auch meinem Schwiegervater konnte ich meine Kinder nicht anvertrauen. Hatte er nicht die Nacht neben seiner Frau verbracht? Würde er nicht als Nächster krank werden? Und Onkel Lu hatte ich nicht mehr gesehen, seit die Epidemie ausgebrochen war, auch wenn jeden Morgen und jeden Abend seine leere Schüssel vor dem Zimmer stand, damit ich sie wieder füllen konnte.
    Ich saß in der Küche und knetete kummervoll meine Finger. Yonggang kam zu mir, kniete sich vor mich hin und sagte: »Ich passe auf Eure Kinder auf.«
    Ich dachte daran zurück, wie sie mich kurz nach meiner Hochzeit zum Haus von Schneerose gebracht hatte, wie sie sich nach der Geburt meiner Kinder um mich gekümmert hatte und dass sie sich beim Überbringen meiner Briefe an meine laotong als loyal und diskret erwiesen hatte. All dies hatte sie für mich getan, und währenddessen war sie unbemerkt von einem zehnjährigen Mädchen zu einer grobknochigen, großfüßigen jungen Frau von vierundzwanzig Jahren herangewachsen. Für mich war sie immer noch so hässlich wie Schweinehoden, aber sie war noch nicht krank geworden und würde sich um meine Kinder kümmern, als wären es ihre eigenen.
    Ich wies sie genau an, wie sie das Wasser und das Essen zubereiten sollte, und ich gab ihr ein Messer, das sie bei sich tragen sollte für den Fall, dass es schlimmer wurde und sie die Tür bewachen musste. Damit überließ ich meine Kinder ihrem Schicksal und widmete mich der Mutter meines Mannes.
    Während der nächsten fünf Tage kümmerte ich mich so um meine Schwiegermutter, wie es eine Schwiegertochter vermag. Ich säuberte ihre untere Hälfte, als sie nicht mehr die Kraft hatte, den Nachttopf zu benutzen. Ich kochte ihr den gleichen Reisbrei, den ich meinen Kindern gekocht hatte, dann schnitt ich mir in den Arm, wie ich es bei meiner Mutter gesehen hatte, damit mein Lebenssaft in den Brei gerührt werden konnte. Das
ist das höchste Geschenk einer Schwiegertochter, und ich gab es ihr in der Hoffnung, dass meine Quelle der Lebenskraft wie durch ein Wunder die ihre wieder erneuern würde.
    Aber ich muss ja nicht lange erklären, wie grausam diese Krankheit ist. Du weißt, wie das geht. Sie starb. Sie hatte mich immer freundlich behandelt, deshalb fiel mir der Abschied schwer. Als sie ihren letzten Atem aushauchte, wusste ich, dass ich jetzt nicht alles tun konnte, was für eine Frau von ihrem Format getan werden sollte. Ich wusch ihren verschmutzten und ausgetrockneten Körper mit Wasser, das mit Sandelholz parfümiert war. Ich kleidete sie in ihre Ewigkeitsgewänder, dann steckte ich ihre Nushu-Schriften in die Taschen, Ärmel und in die Jacke. Im Gegensatz zu einem Mann hatte sie nicht geschrieben, weil sie hundert Generationen einen guten Namen hinterlassen wollte, sie hatte geschrieben, um ihren Freundinnen von ihren Gedanken und

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