Seidenfächer
ständig daran, was sie mir über die Pflichten einer Frau erzählt hatte: »Gehorche, gehorche, gehorche, dann tu, was du willst.« Ohne den wachsamen Blick meiner Schwiegereltern konnte ich Schneerose nun endlich ganz offen besuchen.
Mein Mann hatte viele Einwände: Unsere Söhne waren nun elf, acht und anderthalb, unsere Tochter war vor kurzem sechs geworden, und er wollte gerne, dass ich zu Hause blieb. Ich beschwichtigte ihn mehrere Tage lang. Ich sang ihm vor, um ihn zu beruhigen. Ich beschäftigte jedes der Kinder mit einer besonderen Aufgabe, was das Herz ihres Vaters erfreute. Ich kochte ihm all seine Lieblingsgerichte. Ich wusch und massierte ihm jeden Abend die Füße, wenn er von seinen Gängen über die Felder nach Hause kam. Ich kümmerte mich um den Bereich unter der Gürtellinie. Er wollte immer noch nicht, dass ich fuhr, und ich wünschte, ich hätte auf ihn gehört.
Am achtundzwanzigsten Tag des zehnten Monats zog ich eine lavendelfarbene Seidenjacke an, die ich mit einem herbstlichen Chrysanthemenmuster bestickt hatte. Früher war ich davon ausgegangen, die einzigen Kleider, die ich je tragen würde, wären die, die ich in den Tagen des Haarehochsteckens genäht
hatte. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass meine Schwiegermutter nach ihrem Tod unberührte Ballen Seide hinterlassen oder mein Mann so reich werden würde, dass ich die allerbeste Suzhou-Seide in unbegrenzter Menge einkaufen konnte. Doch da ich zu Schneerose fuhr, die doch als Mädchen immer meine Kleider getragen hatte, nahm ich für die drei Nächte meiner Abwesenheit nichts weiter mit.
Die Sänfte setzte mich vor Schneeroses Haus ab. Sie wartete auf der Plattform vor ihrer Schwelle. Sie trug eine Jacke, Hosen, eine Schürze und ein Kopftuch aus schmutzigem, abgetragenem und schlecht gefärbtem Indigo und weißer Baumwolle. Wir gingen nicht sofort ins Haus. Schneerose wollte gerne noch neben mir in der kühlen Nachmittagsluft sitzen. Während sie alles Mögliche erzählte, sah ich zum ersten Mal den riesigen Wok, in dem die Schweinekadaver gekocht wurden, um die Haare zu entfernen und die Haut weich zu machen. Durch die offene Tür eines Nebengebäudes sah ich Fleisch von Balken hängen. Bei dem Geruch drehte sich mir der Magen um. Doch schlimmer waren das Mutterschwein und die Ferkel, die ständig auf die Plattform kamen und nach Futter suchten. Nachdem Schneerose und ich unser Mittagessen aus gedämpftem Wassergras und Reis eingenommen hatten, stellte sie unsere Schüsseln auf den Boden, damit die Sau und die Ferkel die Reste fressen konnten.
Als wir den Metzger nach Hause kommen sahen – er schob einen Karren mit vier Körben, und in jedem dieser Körbe lag ein ausgestrecktes Schwein auf dem Bauch -, gingen wir nach oben, wo Schneeroses Tochter stickte und ihre Schwiegermutter Baumwolle säuberte. Das Zimmer war muffig und düster. Schneeroses Gitterfenster war noch kleiner und weniger verziert als das in meinem Elternhaus, allerdings konnte ich mein Fenster in Tongkou sehen. Nicht einmal hier oben konnten wir dem Gestank der Schweine entrinnen.
Wir setzten uns und unterhielten uns über das, was uns im Moment am wichtigsten war – unsere Töchter.
»Hast du darüber nachgedacht, wann wir mit dem Füßebinden anfangen?«, fragte Schneerose.
An und für sich hätte es sich gehört, dieses Jahr anzufangen, aber nach Schneeroses Frage hoffte ich, dass wir einer Meinung waren.
»Unsere Mütter haben gewartet, bis wir sieben waren, und seither waren wir immer zusammen glücklich«, begann ich vorsichtig.
Schneerose grinste breit. »Genau das habe ich mir auch gedacht. Bei dir und bei mir haben die acht Zeichen so perfekt übereingestimmt, sollten wir da die acht Zeichen unserer Töchter, anstatt sie nur miteinander zu verbinden, nicht auch den unseren so weit wie möglich angleichen? Sie könnten doch das Füßebinden am selben Tag und im selben Alter wie wir anfangen.«
Ich blickte hinüber zu Schneeroses Tochter. Frühlingsmond besaß die Schönheit ihrer Mutter in diesem Alter – seidige Haut und weiche schwarze Haare -, doch sie wirkte resigniert, wie sie so mit gesenktem Kopf dasaß und ihre Nadelarbeit beäugte, während sie sich geflissentlich bemühte, unser Gespräch über ihr Schicksal nicht zu belauschen.
»Sie werden wie ein Paar Mandarinenten sein«, sagte ich. Ich war erleichtert, dass wir uns so leicht geeinigt hatten, doch ich bin mir sicher, dass wir beide hofften, dass die Angleichung an unsere Zeichen es
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