Seidenfessel - Maeda, K: Seidenfessel
APITEL 17
„Sie ist auch nicht in der Lobby!“ Kyo wirkte blass. Toshi nickte nur, zum Zeichen, dass er es zur Kenntnis genommen hatte, und trommelte dann mit den Fingerkuppen auf dem Esstisch herum. Seit drei Stunden war Isabelle verschwunden, und keiner ihrer Beschützer hatte sie gesehen. Tsuki hatte sich für einen Augenblick ablenken lassen, und Hi war mit Kyo im Restaurant gewesen. Sie hatten sich bereits auf die Suche nach ihr gemacht, während Kyo noch innerhalb des Hotels nach ihr gesucht hatte. Aber bisher hatte keiner von ihnen eine Spur von ihr gefunden.
Toshi fluchte. Er hätte bei ihr bleiben und auf sie aufpassen müssen! Seit Yusuris Anruf wusste er, dass er sich um Isabelles Sicherheit Sorgen machen musste. Sie hatte das Gerücht um Isabelle sicher schon ausgestreut. Und dennoch war er so dumm gewesen, sie allein zu lassen. Selbst wenn sie sich aus freien Stücken entschlossen hatte, zu gehen, hätte sie niemals all ihre Kleidung und die Papiere zurückgelassen. Für Toshi stand außer Frage, dass einer der anderen Clans sie entführt hatte. Aber wer? Und wohin?
Sein Handy klingelte und er nahm das Gespräch entgegen. „Ja?“, bellte er gereizt in den Hörer.
„Wir haben ein leeres Taxi gegenüber von Odaiba gefunden, Oyabun“, drang His Stimme knisternd aus dem Lautsprecher. „Isa-chans Handtasche lag darin.“
Toshi versuchte zu ignorieren, dass sich eine kalte Faust in seinen Magen bohrte. „Blut oder andere Anzeichen von Gewalt?“, fragte er knapp.
„Nein – aber auch keine weitere Spur von ihr. Wir haben die Umgebung bereits abgesucht, aber es liegen noch mehrere Hundert Häuser vor uns. Es wird eine Ewigkeit dauern.“
„Es ist mir egal, wie lange es dauert“, knurrte Toshi. „Findet sie!“
„Hai!“
Toshi legte auf und steckte das Handy zurück in seine Tasche. Er würde Isabelle auf diese Weise nie finden. Es gab nur eine Person, die wissen konnte, wo Isabelle war. Toshi verließ das Hotel und ließ sich zu einem Appartement-Komplex in Shibuya fahren. Der Weg war ihm vertraut.
Yusuri öffnete ihm, nachdem Toshi sich per Videokamera zu erkennen gegeben hatte. Sie erwartete ihn nicht an der Tür, als er aus dem Fahrstuhl stieg, sondern saß auf der eleganten weißen Liege, die einen Großteil ihres Wohnzimmers einnahm. Dies war das Erste, was man erblickte, wenn man durch die Appartementtür trat, und Yusuri setzte diesen Anblick gekonnt ins rechte Licht.
Toshi schloss die Tür hinter sich und ließ seinen Blick erst über die Yakuza, dann über die Einrichtung des großzügig geschnittenen Appartements gleiten. Viel hatte sich seit seinem letzten Besuch nicht verändert. Genau genommen, gar nichts. Die vorherrschende Farbe war weiß, durchsetzt mit einigen farbigen Komponenten wie Grünpflanzen, Bildern in leuchtenden Farben oder Kissen. Yusuri liebte diesen klassischen, elegant-kühlen Stil. Nicht nur bei ihrer Einrichtung, sondern bei allem, mit dem sie sich umgab. Egal, ob Kleidung, Schmuck oder Männer. Toshi war sich sicher, dass das einer der Gründe dafür war, warum sie so versessen versucht hatte, ihn an sich zu binden.
Yusuri glitt von der Liege und kam mit wiegendem Schritt auf ihn zu. Sie trug nichts weiter als einen seidenen Bademantel in einem hellen Cremeton. In Hüfthöhe waren Koi eingestickt. Fast das gleiche Motiv, wie jenes, das auch ihren Oberschenkel zierte.
Yusuri blieb einen Schritt vor Toshi stehen und verzog amüsiert die Mundwinkel. „Ich muss zugeben, dass du mich überrascht, Tetsu“, sagte sie und legte den Kopf leicht schief. „Wenn du solche Sehnsucht nach mir gehabt hättest, hättest du mich auch schon viel früher aufsuchen können. Nicht zu einer solch unschicklichen Zeit.“
„Wo ist sie?“, fragte er nur kalt. Die Zeit verrann, und Toshi wollte sich nicht ausmalen, was Isabelle in diesem Augenblick angetan wurde. Er wusste, was Yakuza taten. Er hatte es sie selbst tun sehen.
„Das ist eine schlechte Eröffnung“, flötete Yusuri und wandte sich ab. Sie ging zu einer hohen Vitrine und nahm zwei Gläser und eine Flasche mit bernsteinfarbener Flüssigkeit heraus. „Ich stehe dir mit allem, was ich habe und weiß, zur Verfügung, mein schöner Drache“, sagte sie weiter und ging zurück zur Liege. „Aber das alles bekommst du nur, wenn du dich an meine Regeln hältst. Dein rüdes Verhalten verstößt dagegen.“
Toshi biss die Zähne zusammen und folgte ihr, nachdem er die Tür geschlossen hatte.
Yusuri schenkte ihnen
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