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Seidenfessel - Maeda, K: Seidenfessel

Seidenfessel - Maeda, K: Seidenfessel

Titel: Seidenfessel - Maeda, K: Seidenfessel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kira Maeda
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Kyo band Tomo los, während Tsuki sie festhielt. Anscheinend war Toshi nicht der einzige, der jeden Halt verloren hatte.
    Isabelle streifte ihn mit keinem Blick. Sie nahm einfach ihre Tasche und ging an ihm vorbei zur Tür. Er streckte ihr die Hand hin, aber Isabelle wich aus. Für einen Moment lag ihr all ihre Verbitterung auf der Zunge. Sie wollte ihm sagen, wie sehr er sie verletzt und gedemütigt hatte. Aber alles, was sie tun konnte, war, ihn anzusehen. Toshi erwiderte den Blick. Dann ließ er seine Hand sinken, und sie ging mit schnellen Schritten hinaus.
    In den nächsten Tagen verließ Isabelle das Appartement kaum. Zwar waren Tsuki, Hi und Kyo wieder eingezogen, aber Isabelle ging ihnen - so weit wie möglich - aus dem Weg und verbrachte die Zeit in ihrem Schlafzimmer. Sie weinte, lag manchmal einfach nur auf dem Bett oder sah aus den großen Fenstern hinunter auf die kleinen Autos und Menschen weit unter ihr. Immer wieder spielte sich die Nacht in Nikkō vor ihrem inneren Auge ab. Seine Hände, die sie fesselten, die Art und Weise, wie zärtlich er sie umsorgte, nachdem er sie in unglaubliche Höhen gerissen hatte – alles fort. Weil sie den Fehler gemacht hatte, sich zu verlieben. Das war der schmerzhafteste Gedanke von allen. Sie hatte Shin auf diese Weise verraten und sich selbst bloßgestellt.
    Am Abend verabschiedeten sich Hi und Kyo, um ins Restaurant zu gehen. Tsuki hatte sich den ganzen Tag über nicht blicken lassen. Isabelle sah beiden nach, wobei sie sich immer noch nicht ganz im Klaren darüber war, wie sie Kyo begegnen sollte. Er wusste nicht, dass sie ihn mit Tomo gesehen hatte, aber Isabelle wurde jedes Mal verlegen, wenn sie ihn ansah. Als sie allein im Wohnraum stand, fühlte sie sich plötzlich einsam. Sie hatte das Gefühl, dass nicht alles zwischen Toshi und ihr gesagt war. Sein Blick hatte ihr das gezeigt. Oder auch nur ihre Sehnsucht nach ihm. Sie war sich nicht sicher, was von beidem den Ausschlag gab, aber als sie allein auf dem Sofa saß und auf die Stelle sah, an der er sie gefesselt hatte, wollte sie nicht mehr warten.
    Isabelle stand auf, nahm ihre Handtasche und lief hinaus. Sie wollte zum Bürokomplex des Yamanote-Clans fahren und hoffte, dass Toshi dort war. Egal, was er gesagt hatte: Sie mussten miteinander reden.
    Sie stieg in den Fahrstuhl und verließ ihn auch schon wieder, kaum, dass sich die Türen in der Lobby geöffnet hatten. Sie durchquerte sie mit wenigen Schritten und winkte vor der Tür ein Taxi heran.
    Eines fuhr vor und Isabelle ließ sich auf den Rücksitz sinken. „Zur Yamanote Plaza“, wies sie den Fahrer an und atmete tief ein, als der Wagen losfuhr. Die Fahrt schien viel zu langsam zu gehen. Isabelle sah die Wolkenkratzer und die Menschen, die noch bei Nacht Tokios Straßen bevölkerten, vorbeiziehen, aber es kümmerte sie nicht. Sie spürte nur diese Sehnsucht, so stark wie nie zuvor etwas. In ihrem Leben in Deutschland schien sie kaum etwas empfunden zu haben. Und jetzt, binnen eines Monats, hatte sie ein einziger Mann durch ein Gefühlschaos geführt, so intensiv, dass Isabelle kaum noch wusste, wie ihr geschah. Sie wollte, trotz des Schmerzes, mehr davon. Und der einzige Mensch, der ihr mehr davon geben konnte, war Toshi.
    Nach einer halben Stunde Fahrt hob Isabelle den Kopf. So weit war das Sakura View nicht vom Yamanote Plaza entfernt. Sie runzelte die Stirn und bemerkte ihre Umgebung erst jetzt richtig. Der Taxifahrer fuhr nicht tiefer in das Zentrum Tokios, sondern von ihm weg. Die Wolkenkratzer und die hellen Lichter waren verschwunden und durch niedrige, schäbige Häuser abgelöst worden. Die Straße war nur noch ein besserer Schotterweg; sie waren eingekeilt zwischen engen Gassen. „Wo sind wir hier?“, fragte Isabelle den Fahrer scharf.
    „Wir sind gleich da“, sagte er gelangweilt.
    „Mir egal. Halten Sie an, ich steige hier aus.“
    Er hörte nicht hin, sondern fuhr einfach weiter. Isabelle spürte ein mulmiges Gefühl in der Kehle. „Anhalten!“
    Der Fahrer warf einen Blick durch die Scheibe. Er bremste so scharf, dass Isabelle gegen den Sitz vor sich gedrückt wurde. Sie holte tief Luft und wollte gerade protestieren, als die Tür neben ihr aufgerissen wurde, und jemand sie zur Seite zerrte. Isabelle wehrte sich. Ein stechender Schmerz flammte in ihrem Arm auf. Sie schrie auf, aber die Kraft, sich zu wehren, erlahmte in ihr. Alles drehte sich, und Isabelle fühlte, wie einmal mehr jemand sie ungewollt in eine Ohnmacht zwang.

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