Seidenfpade
wurde ihr hingestreckt.
»Kodjimura«, sagte Dani. »Soll Mitglied der Harmony werden, hält sich bisher aber noch bedeckt, ebenso wie Tony Liu aus China. Katja sucht noch nach der Schwachstelle bei Liu. Ishida, der außerdem ein hohes Tier bei den Yakuza ist, hat sie bereits in der Hand.«
»Wenn die Karen den Transport der Seide übernommen haben, dann hat Katja Lius Schwachstelle gefunden«, sagte Shane. »Bleibt nur noch Kodjimura. Ohne seine Unterstützung ist die
Harmony blockiert. Die Yakuza werden versuchen, ein Harmony-Mitglied gegen das andere auszuspielen.«
Ein viertes Bild tauchte auf, dann ein fünftes, dann die anderen, und Dani ratterte die Namen nur so herunter: La Pena, Spagnolini, Liu, Ishida. Die Aufzählung all ihrer Verbrechen übte schließlich eine eher betäubende als beängstigende Wirkung auf Dani aus. Sie wurden zu bloßen Fakten, wie die Anzahl von Äpfeln in einer Kiste oder Flaschen in einem Träger oder Leichen in einem Massengrab.
Mit einem schwindelähnlichen Gefühl blickte Dani Ishidas Foto an und dachte an seinen Konkurrenten, Kodjimura.
»Was ist mit Kodjimuras Privatleben?« fragte sie. »Tut er sonst noch was außer Saufen, herumhuren und heimgehen, um sein armes Weib zu verprügeln?«
»Er ist ein Yakuza der dritten Generation«, erfuhr sie von Mr. Crowe. »Darum möchte er nicht nur gefürchtet, sondern auch respektiert werden. Zudem interessiert er sich leidenschaftlich für japanische Kultur, ebenso wie sein Patron.«
»Das Interface?«
Shane nickte. »Wer immer das auch sein mag, wir konnten es bis jetzt nicht rausfinden.«
Stirnrunzelnd kehrte Danis Blick zu Kodjimuras Bild zurück. Wie die Sizilianer akzeptierten auch die Japaner die Existenz von organisiertem Verbrechen. Das ging so weit, daß es ein sogenanntes »Interface«, ein Bindeglied zwischen der legalen Geschäftswelt und der illegalen Welt der Yakuza gab. Yukio Koyama war ein solcher Kontakt.
»Ist Kodjimura Christ, Marxist, Buddhist, Moslem, Hindu?« fragte Dani.
»Eher ein Satanist, würde ich sagen.«
»In Asien? Das bezweifle ich. Noch irgendwelche Passionen, außer achtzehnjährige Blondinen?«
»Antike japanische Schwerter«, gab Shane Auskunft. »Die Sammlung seiner Familie ist weltberühmt. Er selbst hat sich kürzlich auf ...«
Shanes Stimme erstarb. Ein überraschter Ausdruck trat auf
sein Gesicht und verschwand so blitzschnell, daß Dani nicht sicher war, ihn überhaupt gesehen zu haben.
»Was?« fragte sie.
»Seide«, erwiderte Shane schlicht. »Kodjimura hat sich aufs Sammeln von kostbaren Stoffen verlegt. Ich nehme an, sein Vater und sein Großvater haben ihm bereits alle guten Schwerter weggeschnappt.«
»Antike oder moderne Seide?«
»Beides.«
»Asiatische oder europäische?« fragte Dani.
»Asiatische.«
»Japanische oder chinesische, persische oder indische?«
»Himmel, Weib, Sie stellen aber eine Menge Fragen.«
»Geben Sie mir Antworten, und ich halte den Mund.«
Shane lächelte flüchtig. »Ich weiß nicht, ob sich Kodjimura auf etwas Bestimmtes spezialisiert hat.«
»Finden Sie es raus.«
»Ist das denn wichtig?«
»Sammler sind eigenartige Typen«, erläuterte Dani. »Einige tun es, damit andere ihre Sammlung bewundern können. Manche verschließen die Sachen und erfreuen sich insgeheim daran. Einige tun beides. Es gibt welche, die sammeln nur Stoffe aus einer bestimmten Epoche. Wieder andere wollen nur japanische, chinesische oder was auch immer. Einige konzentrieren sich sowohl auf ein Land als auch auf einen bestimmten Zeitabschnitt, auf ein bestimmtes Webmuster und ...«
»Ich glaube, ich hab begriffen, was Sie meinen«, unterbrach Shane sie. »Wenn Buddhas Seide in Kodjimuras Sammlerprofil paßt, brauchen wir uns nicht mehr wegen einer Privatauktion den Kopf zu zerbrechen. Katja wird dieses Unikat dazu benutzen, um die Beziehungen zu ihm zu zementieren, und Kodjimura fällt wie ’ne reife Pflaume ins Netz der Harmony«
»Wie gesagt, Sammler sind komische Käuze.«
Shane wechselte den Kanal an seinem Kopfhörer und sprach kurz mit dem Piloten, dann schaltete er wieder zu Dani zurück. Wortlos zog er noch mehr Fotos aus der Akte.
Dani nannte pflichtschuldigst Namen und Nationalität und faßte kurz die erschreckenden Biographien der einzelnen Gangster zusammen, die sich in Katjas ironisch benanntem Anwesen zwecks dunkler Geschäfte trafen.
Ihr Prüfer hörte ihr aufmerksam zu. Er wußte, daß es an sich überflüssig war, Dani nochmals zu drillen,
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