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Seidentanz

Seidentanz

Titel: Seidentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Ich weiß nicht, womit ich beginnen soll. Ich habe Mühe, mich darauf zu konzentrieren…«
    Naomi hatte ihre Tränen getrocknet und beobachtete mich.
    Ihre Augen belebten sich ein wenig. Auf einmal begann ich ihre Nähe wieder sehr deutlich zu empfinden. Sie sagte:
    »Ich glaube, das beste, was du tun kannst, ist, mir zuerst von ihm zu erzählen…«
    »Von Kunio?«
    Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.
    »Er war schon immer anders als andere. Aber im Grunde weiß ich wenig über ihn. Du kennst ihn jetzt besser, ne?«
    »Zum Teil.«
    »Ich gebe zu, daß ich neugierig bin.«
    Ich lächelte nun auch; ich fühlte es an dem Zucken meiner Mundwinkel.
    »Du wirst schon sehen«, meinte ich, »einen wie ihn gibt es nicht zweimal.«
    41. Kapitel
    D ie Besitzerin des Studios kam, um den Mietvertrag aufzu-lösen. Eine stattliche Frau mit einem Samtband im Haar, Inha-berin einer Sake-Bar, die elegant mit einem Fächer spielte. Sie war großzügig, wie füllige Menschen es oft sind. Nein, nein, wir mußten nicht sofort ausziehen. Das Studio würde umgebaut werden, die Arbeiten begännen erst Ende September. Naomi und ich besprachen die Sache. Seiji war in einem Ferienlager.
    Es hatte keinen Sinn, daß sie überstürzt ihre Sachen packte. Sie sollte bis zum Schreinfest bleiben. Dann würde Kunio sie mit dem Wagen nach Kobe bringen.
    Die Proben gingen inzwischen weiter. Ich war sehr unruhig in dieser Zeit. Wenngleich es auch nur Proben waren, setzte ich mich dennoch jedesmal ganz ein. Mein Tanz weckte Schatten: Die Maske erwachte und regte sich. Strukturen weit zurückliegender Zeiten hatten sich in ihrer Erinnerung eingeprägt. Sie hatte lange geruht; nun war sie im Vollbesitz ihrer Kraft. Ich war ohne besondere Vorstellungen nach Kyoto gekommen.
    Obgleich ich bereits Geheimnisse erfahren hatte, konnte ich nie sagen, daß sie gefahrlos waren. Angst hatte ich nicht – noch nicht. Doch die Maske sprach ihr eigenes Idiom.
    Einen Teil meiner Sachen hatte ich schon in Kunios Wohnung gebracht. Ich schlief auch bei ihm. Nur wenn wir Probe hatten, übernachtete ich in Kyoto. Die Trennung wurde durch die Gewißheit gemildert, daß wir bald endgültig beisammen sein würden. Naomi nahm das ohne jede Bemerkung zur Kenntnis. Sie war überhaupt nicht neugierig, was alltägliche Dinge betraf. Und wenn wir uns im Schlaf umarmten, waren es nur Zärtlichkeit und Wärme, die unsere zwei Körper näher brachten, sonst nichts.
    Der August ging vorbei; es wurde September. Der Zeitpunkt der Aufführung rückte näher. Wir konzentrierten uns stark auf das Training. Ich wußte, daß der Körper etwa dreißig korrekt ausgeführte Wiederholungen braucht, bis er mit einer Sequenz wirklich vertraut ist. Dann erst kann man sich der nächsten Sequenz zuwenden. Ich hatte nie versucht, schneller voranzu-kommen. Immer schön langsam und nichts überstürzen, ganz, wie es Sagon wollte. Jeder Teilnehmer bekam seinen festgelegten Platz auf der Bühne. Das Grundkonzept mußte exakt befolgt werden, und doch gab es immer wieder Änderungen in letzter Minute. Die Aufführung sollte knapp eine Stunde dauern; ich selbst würde nicht länger als zwanzig Minuten tanzen.
    Schon Tage zuvor überkam mich ein bekanntes Gefühl, eine Mischung aus Lampenfieber, Niedergeschlagenheit und Über-drehtheit. Am Körper machten sich alle möglichen Schmerzen bemerkbar: in den Hüften, im Rücken, in den Gelenken. Doch da war noch mehr. Manchmal, beim Üben, witterte ich seltsame Gerüche. Meine Haut fühlte sich klamm an; mein Kopf war so leer, als wollte er wegschwimmen. Aber die szenischen und musikalischen Aktionen gingen nahtlos ineinander über. Mein Körper war das Präzisionsinstrument, das er schon immer gewesen war. Ich dachte: Wenn der Ranryô-ô bereit ist, so bin ich es auch. Nun, wir werden ja sehen!
    »Du bist müde«, sagte Naomi zu mir.
    Ich kam gerade von der letzten Probe. Sie hatte mir das Essen warm gestellt. Nun stand sie vor mir, breitbeinig wie eine Halbwüchsige, und sah zu, wie ich mit schlappen Bewegungen mein verschwitztes T-Shirt über den Kopf zog und den Verschluß meines Wickelrocks aus blauem Batik öffnete. Müde?
    Daran hatte ich nicht gedacht. Aber sie mochte recht haben.
    »Leg dich hin«, sagte sie.
    Weil es so warm war, trug ich kein Trikot, sondern nur ein Höschen aus Baumwolle. Ich streckte mich mit leisem Ächzen auf der Matte aus. Naomi kniete nieder und massierte mir Rük-ken und Nacken. Zärtlich und geübt knetete sie meine

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