Seidentanz
schmer-zenden Muskeln. Sie machte das noch besser als Kunio; sie war eine Tänzerin und wußte, worauf es ankam.
»Wunderbar!« seufzte ich.
»Du mußt lernen, die Nervenknoten zu entspannen.«
Halb verschlafen wandte ich ihr das Gesicht zu.
»Ich glaube, daß ich mehr Zeit brauche, bis ich das kann.«
Sie fuhr mit der flachen Hand über meinen Rücken, dann über die Seiten, dann über die Brüste. Wir lächelten uns an. Wir waren Frauen und miteinander verbunden, wie nur Frauen es sein können. Ich drehte mich um; ihre Hände legten sich auf meine Brüste, schlossen sich fester. Ich straffte mich mit einem lustvollen Stöhnen. Sie hatte, wie immer, ihre Nägel blutrot lackiert, aber diesmal empfand ich nichts dabei, weil ich nicht hinsah.
»Dein Körper hat sich verändert«, stellte sie fest.
Ich hob beide Arme über den Kopf.
»Ach, findest du?«
Sie nickte, mit einem kleinen Lächeln um die Mundwinkel.
Ihre Hände glitten an mir herunter.
»Eine Frau verändert sich, wenn sie von einem Mann geliebt wird. Man kann auch etwas von ihm an ihr erkennen: eine Geste, einen bestimmten Klang in der Stimme. Das gilt ebenso für den Mann, wenn er eine Frau wirklich liebt. Auch er nimmt etwas von ihr an. Jeder entdeckt in dem anderen eine Spur seiner selbst…«
»Findest du mich sehr verändert?«
Ihre Finger, leicht wie Schmetterlingsflügel, umkreisten meine Brüste, zärtlich, behutsam, forschend. Ich dachte an Kunio und fühlte ein Pochen zwischen meinen Schenkeln.
»Ja, das finde ich. Deine Haut fühlt sich weich an. Weich wie Seide. Deine Taille ist schmal geworden, dein Busen voller…«
Die Muskeln in meinem Innern spannten sich, schmerzvoll und süß. Ich zog die Knie ein wenig an.
»Wirklich?«
»Doch. Und auch deine Brustwarzen sind dunkler und breiter. Du bist sehr schön jetzt. Du strahlst etwas aus…«
Sie hob plötzlich die Hand, hielt sie über meine ausgehöhlte Bauchgrube in die Luft.
»Du bist unruhig. Warum? Doch nicht seinetwegen?«
Ich richtete mich auf den Ellbogen auf. Der Zauber war gebrochen. Die direkte Frage hatte mich verwirrt. Das war nicht Naomis übliche Art. Und doch tat es mir wohl, daß sie fragte.
Sie machte es mir leicht, einen Anfang zu finden. Und so kam es, daß ich ihr von der Greifenmaske erzählte und auch von dem Oharai, das Daisuke Kumano im Schrein für mich veran-staltet hatte.
Sie starrte mich an, mit einem merkwürdigen Flackern in den Augen.
»Davon hat er mir nichts gesagt.«
»Er fürchtet, daß es nicht viel nutzen wird. Aber ein wenig hilft es doch.«
Ich sah, wie sie schluckte.
»Keita sprach oft von den Erscheinungen, die ihn beim Tanzen heimsuchen. Sie kommen, weil ich sie rufe, sagte er, nur deshalb.«
»Und wie steht es mit dir?« fragte ich.
Ihr Ausdruck wurde plötzlich kalt, fast unnahbar. Sie schüttelte den Kopf, als weise sie etwas von sich.
»Nein. Ich bin immer allein auf der Bühne.«
Der Tag der Aufführung kam. Die Gärtner hatten den Innenhof gefegt, Hecken und Bäume beschnitten, alle Trittsteine abgewaschen. Der Boden des Haiden war mit dampfend hei-
ßen, wattierten Tüchern abgerieben worden, ebenso die breiten Deckenbalken, die roten Pfosten. Schließlich wurde die Tanz-fläche mit einem grünen Damastteppich bespannt, der ebenfalls die Holzstufen bedeckte. In dichten Reihen wurden Stühle für die Zuschauer – zumeist geladene Gäste – aufgestellt.
Im Heiligtum hatten Priesterinnen den Bronzespiegel ehrfürchtig abgestaubt, die kupfernen Kerzenständer poliert. In den Opferschalen glänzten Orangen, wie mit Wachs eingerieben. Glückbringendes Reisgebäck war in rosa und weißem Papier eingewickelt. Schwere Stoffbahnen mit dem Doppel-wappen des Schreins, mit Seidenschnüren zusammengerafft, umrahmten den Altar. Auch die kleinen Nebenschreine hatte man mit neuen Kerzen und Laternen ausgestattet. Becher mit frischem Wasser und besonderes Gebäck, aus Eiweiß und Reis geformt, standen vor den Steinsockeln der Füchse.
Kunio wollte morgens mit seinem Vater in der Werkstatt arbeiten, aber frühzeitig genug in Kyoto sein. Nach der Vorstellung war ein gemeinsames Essen mit dem Ensemble geplant.
Anschließend würden wir nach Nara zurückfahren. Die Hängetrommeln, die Riesenpauke und der Gong standen bereits auf der Bühne. Die Nachmittagssonne schimmerte auf der spiegel-blanken Lackschicht, auf den kostbaren Schnitzereien, den gußeisernen Verzierungen. Man hatte uns im Nebengebäude des Schreins zwei große Räume
Weitere Kostenlose Bücher